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29. Dezember

Psalm 90

Tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache. Psalm 90,4

Dieser ganze 90. Psalm redet scheinbar von der erschütternden Kürze und Nichtigkeit dieses Lebens, das 70 Jahre, und wenn's hoch kommt, 80 Jahre dauert. Aber wäre das alles, dann enthielte dieser Psalm kein Offenbarungslicht. Denn dass das Menschenleben rasch vergeht, das wissen die Heiden auch. Unsere germanischen Vorfahren sagen, das Menschenleben sei so kurz wie der Flug eines Vögleins, das durch ein Fenster des Königssaals herein und sofort wieder zum anderen hinausflirrt. Aber unser Psalm enthält über jene Allgemeinweisheit hinaus die frohe Botschaft, dass Gott grösser ist als die Zeit. Gott hat Ewigkeit. Tausend Jahre sind vor ihm wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache. Er ist der Herr, unabhängig und hoch aufgerichtet über aller Zeit. Bei ihm aber haben wir kleine Eintagsvögelein eine "Zuflucht für und für". Wir dürfen unseren kurzen Flug durch die Zeit sehen unterm Lichte der Ewigkeit unseres Gottes. Gott hat seine Ewigkeit nicht sozusagen für sich behalten. Er hat den, der von Ewigkeit her beim Vater war, eingehen lassen in diese Zeit und hat damit das ewige Leben hereingebracht. Unser Leben steht darum in Christi Händen. Stimmt das? Bin ich bereit, meine Zeit aus seinen Händen zu nehmen, mir von ihm die Zeiteinteilung meiner Tage und Nächte verordnen zu lassen?

Herr, vergib mir den eigenmächtigen Gebrauch meiner Zeit. Schenk mir das täglich neue Wissen darum, dass sie dir gehört. Amen.

Gleich einem Traum, der bald vergehet, / ist unsre Lebenszeit. / Gleich wie ein Wind den Rauch verwehet, / flieht ihre Herrlichkeit. / Es ist der Sterblichkeit Gesetze: / Wir müssen schnell davon, / so wie ein nichtiges Geschwätze, / ein bald vergess'ner Ton.
Ach, lehr uns, Herr, doch recht bedenken, / dass unsrer Jahr' nicht viel; / des Herzens Dichten woll'st du lenken / nur nach dem sel'gen Ziel, / dass wir nicht aus den Augen setzen / den Stand der Ewigkeit, / dich aber weit, weit höher schätzen / denn alles in der Zeit. Hieronymus Annoni

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