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9. November

Gedanken

Ich dachte, ich arbeite vergeblich und brächte meine Kraft umsonst und unnütz zu, wiewohl meine Sache des Herrn und mein Amt Gottes ist. Jesaja 49,4

"Ich dachte —." Was hab' ich nicht schon alles gedacht! O diese Gedanken! Es ist ja recht, wenn einer nicht gedankenlos lebt. Sicher nicht umsonst hat uns der Schöpfer die Möglichkeit zum Denken geschenkt. Aber wenn wir ganz ehrlich sein wollen, so sind uns unsere Gedanken doch recht oft eine Last auf dem Weg. Man kann tatsächlich nicht nur zu wenig, man kann auch zu viel denken. Dieses "ich dachte" ist es doch, das uns vorzeitig die Haare bleicht, denn wie leicht ist unser Denken unser Sorgen! Wie ein schleichender Meltau legt sich die "Seuche der Fragen" über die Seele des Gottesmannes, der da bekennt: "Ich dachte, ich arbeite vergeblich und brächte meine Kraft umsonst und unnütz zu." Das ist Gedankenanfechtung, die sich hier meldet, Anfechtung, die uns unser Amt, das uns aufgetragen ist, überschwer und fraglich und aussichtslos will erscheinen lassen, so dass man am liebsten sein Amt an den ersten besten Nagel hängen möchte, weil man innezuwerden meint, "es nütze ja doch alles nichts", und der Acker sei hoffnungslos, und am Ende tauge man auch gar nicht zur Arbeit im Weinberg Gottes. Diese Gedankenanfechtung meldet sich vor allem dann, wenn man tatsächlich einige Male innewird, dass man ein rechter Stümper ist und viel Stückwerk liefert. Gott aber antwortet: Hör auf, mit verschränkten Armen und tiefsinnig zu fragen, und geh frisch ans Werk. Die Unmöglichkeit, den ganzen, den absoluten Willen Gottes zu erfüllen, berechtigt dich niemals, überhaupt nicht weiter zu schaffen. Den Willen Gottes tun und in seiner Sache stehen, heisst niemals, lauter glänzende Meisterstücke in die Welt setzen, deren man sich hernach rühmen könnte, sondern den Willen Gottes tun heisst: "Tue ich's gern, so wird mir gelohnt, tue ich's ungern, so ist mir das Amt doch befohlen." Freilich könnte solch eine Anfechtung ja auch ein Fingerzeig sein dafür, dass wir nicht mit vergänglichen Nichtigkeiten unsere Zeit verbrösmen*, und wie bös du bestellt wärest, wenn jetzt schon dein Lebenstag aufhörte.

Herr, wenn ich alles getan habe, was ich zu tun schuldig bin, so bin ich ein unnützer Knecht. Deine Gnade aber ist gross. Nimm mich an als einen deiner Tagelöhner. Amen.

Hilf gnädig allen Kranken, / gib fröhliche Gedanken / den hochbetrübten Seelen, / die sich mit Schwermut quälen. Paulus Gerhardt

* vergeuden, verschwenden.

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