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22. Juni

Die göttliche Freude

Freuet euch, und seid fröhlich in dem Herrn, eurem Gott! Joel 2,23

Dieser Freude da ist allerlei vorangegangen. Sie hängt nicht zufällig wie die Freuden im Schlaraffenland in der Luft. Nicht irgendjemand soll daherkommen und sich freuen in dem Herrn, sondern ganz bestimmte Menschen, denen vorher gesagt worden ist, dass "der Tag des Herrn kommt und nahe ist". Von diesem Tag des Herrn aber heisst es in diesem Kapitel des Propheten Joel: "Ein finsterer Tag — ein dunkler Tag — ein wolkiger Tag — ein nebliger Tag." Und nach dieser Ankündigung des Tages ergeht die Aufforderung: "Zerreisset eure Herzen und nicht eure Kleider und bekehret euch zu dem Herrn, eurem Gott. Heiliget ein Fasten und rufet die Gemeinde zusammen; lasst die Priester weinen zwischen Halle und Altar und sagen: Herr, schone deines Volkes" — und erst nachdem das alles gesagt und befolgt und getan ist, taucht wie ein Silberstreifen am abendlichen Horizont nach einem stürmischen Schreckenstag die unerwartete Botschaft auf: "Freuet euch und seid fröhlich in dem Herrn, eurem Gott." So wie die Luft nach einem Reinigungsgewitter ganz besonders glasklar ist und die Sicht auf die Schneeberge ganz besonders leuchtend, so ist nun diese Freude in dem Herrn ganz besonders reiner Art. Das ist die reinste Freude, die Freude des mit Gott versöhnten Gewissens, so wie die Traurigkeit um unsere Sünde die tiefste Traurigkeit ist. Das ist die Freude der Kinder Gottes. Wer sie geschmeckt hat, der hat sich sozusagen den Gaumen ein wenig verdorben für vieles, was vorher wie Freude schmeckte. Diese Freude stammt direkt aus der Ewigkeit. So wie es eine göttliche Traurigkeit gibt, so gibt es auch eine göttliche Freude. Die Engel im Himmel freuen sich über einen Sünder, der Busse tut.

Herr, gib mir diese Freude. Mein Durst nach anderen Freuden zeigt mir an, dass ich noch nicht völlig eingegangen bin in deine Freude. Amen.

O du treuer Menschenhüter, / Nacht ist vor dir wie der Tag. / Allgewaltiger Gebieter, / du verwandelst Schmerz und Plag / unversehns in Dank und Freuden! / Ach, lass alle, die jetzt leiden, / bald, erlöst aus ihrer Pein, / deiner Vaterhuld sich freun. Johann Kaspar Lavater

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