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15. Juni

Nikodemus

Es war aber ein Mensch unter den Pharisäern, mit Namen Nikodemus, ein Oberster unter den Juden, der kam zu Jesu bei der Nacht. Johannes 3,1‑2

Warum wohl Nikodemus "bei der Nacht" zu Jesus kam? Man sagt, und vielleicht nicht mit Unrecht, er habe die Nacht gewählt, um nicht aufzufallen und nicht öffentlich bekennen zu müssen. Kann sein. Man stützt diese Vermutung damit, dass es wohl eine wüste Nacht, eine Sturmnacht, gewesen sei, sage doch der Herr im Verlauf des Gespräches: "Der Wind weht, wo er will, und du hörest sein Sausen wohl, aber du weisst nicht, von wannen er kommt und wohin er fährt." Es steht tatsächlich keine Erklärung da, warum er bei der Nacht kam. Und darum, weil wir ja sowieso aufs Vermuten angewiesen sind, ist es wohl erlaubt, noch eine andere Vermutung auszusprechen, es scheint mir eine sehr natürliche und naheliegende zu sein. Ich habe als Knabe am Morgen früh im Rossstall immer eines der Pferde, das junge, im Stand liegend angetroffen, während das alte immer schon auf den Beinen stand. Auf meine Frage hin sagte mir der Bauer, das alte liege gar nicht mehr, während das junge sehr schlafbedürftig sei, das, fügte er hinzu, sei fast so wie bei den Menschen. Und nun ist Nikodemus ein alter Mann, und das ist vielleicht der Grund, warum er "bei der Nacht" zu Jesus kommt. Ihm ist die Nacht keine Erquickung mehr, weil sie ihm den Schlaf nicht bietet. Und zur Qual der schlaflosen Nacht kommt dann jeweilen die Qual der Gedanken, die sich einstellen und wie Mühlräder im Kreis herumgehen und uns bedrängen. Und nun kommt Nikodemus mit der Qual seiner Nacht zum Herrn. Ich glaube kaum, dass er gekommen wäre, wenn ihn nicht die Not dazu getrieben hätte. Bist du auch schon so "zu Jesus gekommen bei Nacht"? Wenn nicht, dann ist es das Beste, was du tun kannst, wenn du solche Nächte, Nikodemusnächte, kennst. Geh "zu Jesus bei der Nacht". Er will durch seinen Heiligen Geist die dunklen Geister der Nacht bannen und dir den Frieden geben.

Herr, habe Dank, dass es keine Nacht gibt, die zu schwarz und zu stürmisch wäre, dass du nicht mehr helfen könntest. Besuche, du Tröster und Lehrer, alle Angefochtenen in der Nacht. Amen.

Ach, bleib bei uns, Herr Jesu Christ, / weil es nun Abend worden ist; / dein göttlich Wort, das helle Licht, / lass ja in uns erlöschen nicht. Nikolaus Selnecker

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