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26. August

Segen

Ich will ihre Speise segnen und ihren Armen Brot geben. Psalm 132,15

Ich glaube, dass es viel mehr Menschen gibt, als wir meinen, die nicht an sich schlecht und bös sind mit den Armen. Aber sehr zahlreich sind die Menschen, und wer gehörte in einem gewissen Sinn nicht dazu hier?, die es sehr schwer haben, nicht bloss an sich selber zu denken. Aus diesem naturhaft-egoistischen Herzen heraus kommen dann Taten, die sehr arg sind. Daraus erklärt sich die nicht seltene Erscheinung, dass ein Mensch im Freundeskreis oder in der Familie der feinfühlendste und nobelste Gesellschafter und zarteste Gatte und umsichtigste Familienvater sein kann, im Verfolgen aber seiner geschäftlichen Pläne und beruflichen Ziele ein gefürchteter Vorgesetzter, ein rücksichtsloser Konkurrent. Die meisten brudermörderischen Taten geschehen darum nur zum kleinsten Teil aus ausgesprochen boshaften Herzen heraus. Sie sind einfach Ausfluss eines Egoismus, der berechnend und strebend über Leichen schreitet, wenn es die so genannten Interessen zu wahren gilt. Am ärgsten denke ich eben dann gegen meinen armen Mitmenschen, wenn ich nicht an ihn denke, sondern nur an mich. Aus solchem Denken und Handeln ist zwar nicht der Erfolg, wohl aber der Segen weg. Da sagt Gott nicht: "Ich will ihre Speise segnen und ihren Armen Brot geben." Wenn Gott unser Einkommen, wenn er unsere "Speise segnet", dann geschieht das so, dass es zum Überfliessen des Gefässes kommt. Ich denke da an jene Kleinrentnerin, die von ihrem Vermögensverwalter die Meldung des Verlustes eines Teils ihres bescheidenen Vermögens erhielt, und deren erster Schmerz nicht der Verlust an sich war, sondern die Tatsache, dass es ihr nun nicht mehr vergönnt sein werde, bei diesem oder jenem Werk mitzutun, weil nicht mehr so viel überfloss. Oder ich denke an die Hausfrau im Berner Bauernhaus, die. wenn sie Kaffee einschenkt, es derart reichlich besorgt, dass die Tasse überläuft und die Untertasse auch noch voll wird dazu, was sonst im vornehmen Haus als höchst unangebracht und unanständig gälte. So segnet Gott. Unsere Tassen sind zu klein, wenn er segnet. Wozu segnet Gott? Dazu, damit erfüllt werde das Wort: "Ich will ihre Speise segnen und ihren Armen Brot geben." Dazu segnet er, um den Armen Brot zu geben.

Herr, segne mich und lass mich ein Segen sein im Land. Amen.

Es soll uns nicht gereuen / der schmale Pilgerpfad; / wir kennen ja den Treuen, / der uns gerufen hat; / kommt, folgt und trauet dem! / Ein jeder sein Gesichte / mit ganzer Wendung richte / hin nach Jerusalem. Gerhard Tersteegen

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