Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge hast du eine Macht zugerichtet. Psalm 8,3
Junge Kinder und Säuglinge zählen nicht als Machtfaktor in dieser Welt. Sie sind klein und unvermögenden Leibes und Geistes. Gott aber ist weder auf die Stärke des Fleisches noch auf die Macht unseres Geistes, noch auf die Schärfe unserer Intelligenz angewiesen. Er kann all diese natürlichen Gaben in seinen Dienst nehmen und auswerten, wenn er will, er kann es aber auch machen ohne sie, wenn er will. Gott kann seines Geistes Kraft in "irdene Gefässe" giessen, in brüchiges Geschirr, um uns so recht augenfällig zu zeigen, dass "die Kraft sei Gottes und nicht von uns". Gott kann erwählen, was von uns Menschen verachtet wird. Was klein und gering ist vor dieser Welt, das kann Gott segnen und mehren und nutzbar machen in seinem Weinberg. Er kann sich aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge eine Macht zurichten. Er kann in seinem heiligen Krieg die Leute brauchen, die bei der menschlichen Rekrutenmusterung durchfallen. Als die Dänin Karen Jeppe, obschon mit schwächlichem Leib belastet, unter unsäglichen Strapazen den Armeniern zu Hilfe eilte — als diese Frau zur Welt kam, sprach ihr die Hebamme allen Ernstes eine lange Lebensdauer ab. Der Apostel Paulus, dessen Reisen zu Stadt und Land eine Strecke ausmachen, die so lang ist wie sämtliche Forschungsreisen Sven Hedins, trug einen "Pfahl im Fleisch" mit sich herum, war also menschlich gesprochen zum vornherein ein erledigter Mann. Und die Inderin Pandita Ramabai, die als alleinstehendes Mädchen für das weibliche Indien ungefähr das war, was Pestalozzi für die Waisenkinder seiner Zeit, schrieb einst die machtvollen Worte: "Preis und Dank sei dir, o Gott, der du auf diese Weise, um die Macht der Selbstsucht zu brechen, dich derer bedienst, die von der Welt verachtet werden. Ein Strohhalm in deiner Hand wird stark wie ein Blitzstrahl." So hat sich der Herr aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge von jeher eine Macht und ein Lob zugerichtet und wird das auch fernerhin tun.
Herr, der du es den Weisen und Klugen verborgen hast, hast es aber den Unmündigen geoffenbart, lass mich einfältig werden und alle eigenen Künste meiden. Amen.
Du wirst dein herrlich Werk vollenden, / der du der Menschen Heil und Richter bist. / Du wirst der Menschheit Jammer wenden, / so dunkel jetzt dein Weg, o Heil'ger, ist. / Drum hört der Glaub nie auf, zu dir zu flehn: / Du tust doch über Bitten und Verstehn. K. H. von Bogatzky