Des Menschen Sohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, das verloren ist. Lukas 19,10
Wie verschieden sie doch aussieht, unsere menschliche Verlorenheit! Bald kommt sie daher im Gewande des heruntergekommenen Landfahrers, aber nicht weniger Verlorenheit, nicht weniger Elend und Not sieht Jesus im Hause des emporgekommenen, begüterten und einflussreichen Zachäus. In der Villa dieses mehr gefürchteten als geachteten Mannes ist Jesus als Gast eingekehrt. Darüber in Jericho grosse Überraschung, ja allgemeines Befremden und Murren. Viele Hilfebedürftige haben in Jericho auf einen Besuch gehofft, und nun, da er kommt, geht er an ihnen allen, die sich am bedürftigsten dünkten, vorbei und tritt unters Dach eines Mannes, der ja sowieso sich alles leisten kann und "in der Butter sitzt". Vielleicht hat auch die Überlegung mitgespielt, dass sie es vorab verdient hätten, dass er einmal sie berücksichtige und mit einem Besuch beehre. Umso giftiger wirkt's, dass Jesus sie alle nun gleichsam auf die Seite schiebt und stracks auf diesen Zachäus, ausgerechnet auf diesen Zachäus zu schreitet. In Zachäus hat Jesus, der "gekommen ist zu suchen und selig zu machen, was verloren ist", nun halt von allen Verlorenen in Jericho den Verlorensten herauserkannt. Mit welch unbestechlicher Hirtentreue geht er dem Verlorenen nach! Und mit welch heiliger Vorurteilslosigkeit erkennt er durch die verbergenden Hüllen hindurch seine Schafe, die auf seine Stimme hören. Das Milieu eines Oberzolleinnehmers kann ihn nicht täuschen. Er allein weiss, was verloren ist und wie das Verlorene aussieht. Wie sieht die Verlorenheit bei dir aus, lieber Leser?
Das möchte ich mir zeigen lassen von dir, du treuer Hirte, der du dein Leben gelassen hast für deine Schafe. Herr, ich möchte dort, wo ich verloren bin, mich von dir finden lassen. Lass auch meinem Hause heute Heil widerfahren. Amen.
Ich bin ganz getrosten Muts; / ob die Sünden blutrot wären, / müssen sie kraft deines Bluts / dennoch sich in schneeweiss kehren, / da ich gläubig sprechen kann: / Jesus nimmt die Sünder an. Erdmann Neumeister