Wer den Sohn Gottes hat, der hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht. 1. Johannes 5,12
"Wer den Sohn Gottes hat —", das ist so merkwürdig 'en gros' geredet! Aber wie geht das zu? Wie kann man den Sohn Gottes haben oder auch nicht haben? Und wer darf sagen, er habe ihn? Und wer muss bekennen, er habe ihn nicht? Mit andern Worten: Wer gehört zu den Seinigen? Und wer nicht? Wer ist Glied seiner Kirche? Und wer ist nicht Glied? Wer darf sagen, er gehöre dazu? Und wer wäre dann nicht dabei, wenn der Hirte seinen Schafen ruft? Auf all diese Fragen gibt es ziemlich präzise Antwort. Wer seine Stimme hört und nicht die Stimme eines Fremden, wer sich anrufen und herausrufen lässt, wer sein Wort hört und sich mit Leib, Seele und Geist darunter stellt, ganz schlicht gesagt — wer die Bibel liest, wer sie so liest, wie man zur Erhaltung des Lebens Brot isst, wem Gottes Wort zur Lebensnahrung geworden ist, der "hat den Sohn Gottes" und wird infolgedessen leben, der gehört zu ihm und zu seiner Schar. Und wer getauft ist auf den Dreieinigen, wer dieses Zeichen einfach und schlicht, um Christus zu gehorchen, demütig annimmt und es nicht "als blossen Formelkram" verachtet, der "hat den Sohn Gottes" und ist Glied seiner Kirche. Und wer dem Rufe zum Tisch folgt und alle Ausreden, die der Verstand und das Gefühl und unsere Frömmigkeit und unser moralisches Wesen uns einflüstern wollen, beiseite schiebt und in das Brot beisst, von dem es heisst "dies ist mein Leib", und von dem Kelche trinkt, der nimmt die Vergebung und das ewige Leben, der nimmt ihn selber, der nimmt "den Sohn Gottes in sich auf" und darf sagen: Ich habe den Sohn Gottes, und darum lebe ich auch. Und wer so arm ist, dass ihm der Heilige Geist die Seele anrührt, strafend und tröstend und lehrend und stärkend, der "hat den Sohn Gottes". Mit einem Wort könnten wir zusammenfassen: Wer Wort und Sakrament in Einfalt und Lauterkeit und Armut annimmt, der hat den Sohn Gottes und ist Glied seiner Kirche. Wer weiss und sich das aus Wort und Sakrament zeigen und schenken lässt, dass er dem Sohn Gottes angehört im Leben und im Sterben, wer weiss, dass der Sohn Gottes ihn hat, der hat den Sohn Gottes.
Du Brot des Lebens, stärke und erhalte uns zum ewigen Leben. Amen.
Liebster Jesu, wir sind hier, / dich und dein Wort anzuhören; / lenke Sinnen und Begier / auf die süssen Himmelslehren, / dass die Herzen von der Erden / ganz zu dir gezogen werden. Tobias Elausnitzer