Und Josef nahm den Leib und wickelte ihn in eine reine Leinwand. Matthäus 27,59
Die Kriegsknechte brechen ihm die Beine nicht, wie den zwei Mitgekreuzigten, sondern stossen, um den eingetretenen Tod festzustellen, mit der Lanze in seine Seite. Das ist bereits ein Zeichen eines nun eingetretenen Umschwunges. Die allerärgste Schmach wird, nachdem seinem lebenden Leib keine Schmach erspart geblieben ist, nun seinem Leichnam erspart. Wenn rohe Fäuste ihn ans Kreuz hämmerten, jetzt sind es seltsam sorgliche Hände, die ihn vom Holz befreien. Es ist, wie wenn hier unsichtbare Engelhände mit am Werke wären. In Leinwand wird nun sein toter Leib eingehüllt, in ein Tuch von einer Qualität, wie sein lebender Leib wohl nie getragen hat, angefangen bei den Windeln im Stall, bis zu dem ekelhaften, scharlachroten Soldatenmantel, mit dem sie ihn verkleidet hatten. Und nicht in gewöhnliche, nicht in erstbeste Leinwand wird sein Leichnam geborgen, sondern in reine, in feine Leinwand. So wie man besonders kostbare Kleinodien nicht in gewöhnliches Papier wickelt, sondern in Seidenpapier, so wird sein Leib in feine Leinwand getan. Und nicht im Verbrecherfriedhof wird er eingescharrt, nein, die Schmach, unter die Übeltäter gerechnet zu werden, die dem lebendigen Herrn nicht erspart blieb, die ist jetzt seinem gestorbenen Leibe erspart. In eine Villa, in einen reichen Garten biegen die Tritte derer ein, die ihm den letzten Liebesdienst erweisen. Und nicht gewöhnlicher Art ist der Ort, in dem er niedergelegt wird. Nein, das genügt jetzt auch schon nicht mehr. In einem königlichen Grab wird er bestattet, in einem reinen Grab, in dem kein Unrat umherliegt und keine Totenschädel und kein Moder. In ganz Jerusalem ist es in diesem Moment das schönste Grab, in das er, der zu Lebzeiten "nichts hatte, wo er sein Haupt hinlege", niedergelegt wird. Und welch seltsam vornehme Totengräber hat er doch! Ein ehrbarer Ratsherr und ein Oberster unter den Juden sind gerade gut genug, an seinem Leib diesen Dienst zu verrichten. Es ist, als sähe man hier wieder die Hand jenes Weibes zum Vorschein kommen, das ihn in Bethanien mit köstlicher Salbe gesalbt hat, weil nur das Beste gut genug ist für diesen Herrn und König. In die Hände der Heiden war er überantwortet, und der Vater hat's geschehen lassen. Aber nun, da der Rat des Vaters erfüllt ist, nun ist's, als möchte Gott kaum warten, bis dass er ihn wieder aus der Hand der Heiden herausgelöst hat. Darum erweckt er diesen Josef von Arimathia, der zu Pilatus geht, um Jesu Leib herauszubekommen.
Herr, komme bald in deiner Herrlichkeit, ein Licht, zu erleuchten alle Völker. Amen.
Meinen Leib und meine Seele / samt den Sinnen und Verstand, / grosser Gott, ich dir befehle / unter deine starke Hand. / Herr, mein Schild, mein Ehr und Ruhm, / nimm mich auf, dein Eigentum. Heinrich Albert