Der Herr hat des Tages verheissen seine Güte, und des Nachts singe ich ihm und bete zu dem Gott meines Lebens. Psalm 42,9
"Des Tages" und "des Nachts". Da redet der Gott, der ein Herr ist über die ganzen 24 Stunden, ein Herr meiner Zeit, der Herr meines Lebens. "Des Tages", wenn die Arbeit drängt und wenn die Pflicht jagt, wenn der harte Takt der Maschinen hämmert und die Lieder verstummen, dann, gerade dann hat der "Herr verheissen seine Güte". Er ist der Herr auch über den Lärm und über die Pflichten. Begleiten, schützen und stärken will er dich "des Tages", das heisst wohl kaum irgendeines Tages, sondern des heutigen Tages, der jetzt gerade vor dir liegt. Und "des Nachts", wenn die Stille kommt und die Müdigkeit, die Besinnung auf dich selbst und auf dein Leben, der Überdruss und das verklagende Gewissen, wenn die Sorge für den Morgen sumpfnebelartig heraufschleicht, dann ist Gott wiederum und immer noch da, denn er ist der Herr auch über die Nächte mit ihren Nöten und Schrecken, mit ihren Versuchungen und Gefahren: "Und des Nachts singe ich ihm und bete zu dem Gott meines Lebens." Er ist der Gott, der, wie Hiob sagt: "Lobgesänge gibt in der Nacht." Solche Lobgesänge sind Waffen gegen die dunklen Heerscharen, die uns besonders des Nachts an der Schwelle lauern. Wir sollten diese Waffen fleissiger benutzen, auch daheim im Familienkreis, auch in der grossen Gemeinde. Die Verheissung seiner Güte geht auch auf die letzte Nacht und auf den letzten Tag. Darum, weil diese Verheissung geht bis auf den letzten Tag, darum redet Christus so oft und so viel von den letzten Trübsalen, von Kriegsgeschrei, Bangnis und Verschmachten, vom Zittern und Zagen der Völker und vom Heulen der Nationen, darum, um uns zu sagen, dass seine Güte auch dann noch nicht wird aufgehört haben, dass es auch dann noch eine Rettung gibt. Nicht schrecken will er uns damit, nicht die Hölle heiss machen und den Teufel an die Wand malen, sondern rufen, locken und ermuntern will er uns damit, will uns sagen, dass es dann wird "Erlöste des Herrn" geben, die erhobenen Hauptes dem Gott ihres Lebens singen und beten werden.
Hüter Israels, du schläfst noch schlummerst nicht, Tag und Nacht. Sei mit uns einst auch in der letzten Nacht, da niemand mehr wirken kann. Amen.
O Jerusalem, du schöne, / ach, wie helle glänzest du; / ach, wie lieblich Lobgetöne / hört man da in sanfter Ruh. / O der grossen Freud und Wonne, / jetzo gehet auf die Sonne, / jetzo gehet an der Tag, / der kein Ende nehmen mag. Johann Georg Albinus