Unsere Seele harret auf den Herrn, er ist unsere Hilfe und Schild. Psalm 33,20
"Harren — Hilfe — Schild." Diese Gebetsworte eines Frommen haben beinahe kriegerischen Klang. Sie lassen jedenfalls nicht auf weiche Kleider und samtüberzogene Ruhebetten schliessen, sondern eher auf Lärm und Gefahr, Kampf und Not. Das ist im grossen und ganzen überhaupt der Ton, auf den die Psalmengebete abgestimmt sind. Das macht uns diese Gebete in notvollen Tagen so lieb und so unentbehrlich. Diese hundertfünfzig Psalmen sind nicht in elektrisch geheizten und teppichbelegten Kirchenpalästen entstanden, diese Psalmen sind in rauherem Klima gewachsen. In diesen Gebeten wird "geharrt", so wie ein Wachtposten mit kaltgefrorenen Füssen und mattschweren Augenlidern auf Ablösung harrt. Harren, ausharren, dies rauhe Geschäft gehört eben normalerweise zum Christenstand. "So ist des rechten Christen Art, der aus dem Geist geboren ward, er harret seines Gottes." Der Christenstand hat vieles gemein mit dem Arbeiter- und Soldatenstand. "Wachet und betet", das ist der Ruf, der nicht nur durch die Psalmen, sondern durch die ganze Bibel geht. Dass wir wachen sollen, das bedeutet, dass wir in Feindesland leben, in einer Gegend, da scharf geschossen wird und da "der Feind umhergeht und suchet, welchen er verschlinge". Es ist nicht ratsam, das zu vergessen. Darum wird Gott in den Psalmen so unzählig oft ein Schild und eine Hilfe genannt und ein Schirm und eine Zuflucht und ein Felsen und ein Horn und Schatten und wie all diese Ausdrücke heissen mögen, die ebenso auch strategische Bedeutung haben könnten. Es ist herzerquickend, diese Psalmworte zu beten; aber nur im Kampf, nicht in der Etappe, nur an der Front reden sie zu uns. Es sind regelrechte Frontgebete. Unterm blauen Himmel wäre der Regenschirm eine sinnlose Last, und so gibt es Zeiten der Faulheit, da wir nichts anzufangen wissen mit Gottes Panier und Schild. Aber wenn die "Pfeile des Bösewichtes" zu schwirren beginnen, wie froh und dankbar greift dann die Hand nach dem Schild!
Herr der Kirche, du lässt jetzt ein Geschlecht heranwachsen, das in Sturm und Nacht wieder ein Ohr bekommt für dein köstliches Wort. Für dieses harte Glück danken wir dir. Amen.
Mache dich, mein Geist, bereit, / wache, fleh und bete, / dass dich nicht die böse Zeit / unverhofft betrete; / denn es ist / Satans List / über viele Frommen / zur Versuchung kommen. Johann Burchard Freystein