Gedenket an die vorigen Tage, in welchen ihr, nachdem ihr erleuchtet waret, erduldet habt einen grossen Kampf des Leidens. Hebräer 10,32
Der Kampf, der den Christen in dieser Welt verordnet ist, hat also das Besondere an sich, dass er nicht geschlagen und erkämpft, sondern dass er "erduldet" wird. Der schlagende Teil ist nie der Christenmensch und Bekenner, sondern stets der Widerchrist. Der Kampf des Christenmenschen besteht im Darhalten, nicht im Dreinschlagen. Das gilt in der grossen Öffentlichkeit der Kämpfe um die Kirche genauso wie in irgendeinem persönlichen Kampf, den es in grosser Stille auszuhalten gilt. Das Meer des Bösen in dieser Welt muss ein Ufer haben, an dem die Wellen gebrochen werden, so gebrochen, dass es nicht wieder neue Wellen schlagen kann. Dieses Ufer, das dem Meer des Bösen Einhalt gebietet, indem es still "darhält", ist die Gemeinde dessen, der dort am Karfreitag zwischen Himmel und Erde den Kampf aller Kämpfe "darhält" und erduldet, seinen Leidenskampf. Selig, wer der duldenden Kampfgemeinde dessen, der sich schlachten lässt wie ein Lamm, das zur Metzgerbank geführt wird, angehören darf. Unser natürlicher Mensch ist dazu niemals fähig. Der natürliche Mensch gleicht der Welt, die den Stoss weitergibt, statt ihn ausklingen zu lassen und damit aufzuhalten. Der duldenden Kampfgemeinde kann tatsächlich nur angehören, wer "zuvor erleuchtet ist". "Nachdem ihr erleuchtet waret, habt ihr den grossen Kampf des Leidens erduldet." Einen "grossen" Kampf nennt ihn der Zeuge. Gross nicht im Sinn des Scheinens und der Geltung vor der Welt, sondern gross im Himmelreich. Und nun sagt er noch: "Gedenket der vorigen Tage —." Die Kirche Christi hat eine Zeitlang fast vergessen gehabt, dass sie dies haltgebietende Ufer ist in der Welt. Sie hat sich vom Strom der Zeit und von den Zeitströmungen mitreissen lassen. Heute fängt sie wieder an, zu "gedenken der vorigen Zeiten, in welchen sie erduldet hat den grossen Kampf des Leidens".
Herr, du rufst mich, heute in meiner Familie, auf meinem Arbeitsplatz Ufer zu sein für anströmende Wellen der Bosheit. Aber, Herr, ich kann nicht, wenn nicht du mich erleuchtest. Amen.
Halte aus, halte aus, / Zion, halte deine Treu, / lass doch ja nicht lau dich finden; / auf, das Kleinod rückt herbei: / auf, verlasse, was dahinten; / Zion, in dem letzten Kampf und Strauss / halte aus! Johann Eusebius Schmidt