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10. Juli

Keine Ausrede

Er hat alles wohl gemacht. Markus 7,37

Sie brachten zu ihm einen Tauben, der stumm war, und baten ihn, dass er die Hand auf ihn legte. Aber der Herr ist kein Zauberer. Ein blosses mechanisches Handauflegen genügt ihm nicht. Er hält zuvor dem Taubstummen eine Predigt, eine Predigt ohne Worte, eine Predigt in lauter Zeichensprache. Zuerst nimmt er ihn beiseite, von seinen Begleitern weg. Damit bedeutet er ihm, dass er etwas mit ihm vorhat, das ihn speziell angeht. Dann legt er ihm die Finger in die Ohren. Damit sagt er ihm, dass er dort am Ohr etwas mit ihm vorhat. Dann netzt er seinen Finger in seinem Mund und rührt dem Kranken die Zunge an. Damit sagt er ihm gerade zweierlei, einmal, dass er ihm auch die Zunge anrühren will und dass er ihm etwas von sich geben wolle. Dann schaut er auf gen Himmel und sagt ihm, dass er die Hilfe von dort oben habe, die er ihm will angedeihen lassen. Daraufhin öffnet sich dem Armen das Ohr, und das Band seiner Zunge löst sich, so dass er hören und sprechen kann. Seine Begleiter aber sind erstaunt und erschüttert über so viel zartester Menschlichkeit, womit Christus diesem Menschen begegnet, und können nur in den freudigen Ruf ausbrechen: "Wie hat er doch alles wohl gemacht!" Es ist tatsächlich erstaunlich, wie viel Mittel und Wege die ewige Liebe findet, um Eingang zu finden bei uns armen Menschen. Und dieser Christus sollte nicht auch heute neue Wege der Verkündigung finden, heute, da die alten immer mehr unmöglich werden? Wenn man aber bedenkt, wie viel Mühe sich Christus schon mit uns gegeben hat, um uns die Ohren aufzutun und die Zungen zu freudigem Zeugnis zu lösen, dann möchte man traurig werden. Das Evangelium ist uns tatsächlich gesagt. Es ist jedem, auch dem schwerhörigsten Europäer, gesagt. Der Säemann hat bei uns seit anderthalb Jahrtausenden den Samen gestreut. Wird keiner die Ausrede haben, er habe Gottes Wort nicht zu hören Gelegenheit gehabt. Welch eine Verantwortung! Vielleicht wäre uns besser, nie eine Kirche betreten zu haben, nie eine Sonntagsschule besucht zu haben, nie eine Bibel besessen zu haben.

Herr, erbarme dich unser und unserer Kinder! Verlass du den Acker nicht, der dir die Frucht versagt, und hab noch ein Jahr Geduld mit diesem Geschlecht. Herr, deine Menschenfreundlichkeit und Langmut ist gross. Amen.

Noch werden sie geladen, / noch gehn die Boten aus, / um mit dem Ruf der Gnaden, / zu füllen dir dein Haus. / Es ist kein Preis zu teuer, / es ist kein Weg zu schwer, / zu streun dein Liebesfeuer / ins weite Völkermeer. Christian Gottlob Barth

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