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10. August

Der eigene Altar

Das sei ferne von uns, dass wir abtrünnig werden von dem Herrn, dass wir uns heute wollten von ihm wenden. Josua 22,29

Es heisst in diesem Kapitel von jenen zweieinhalb Stämmen, die beim Einzug ins Gelobte Land jenseits des Jordan geblieben sind, um dort friedlich ihrem Ackerbau zu leben, sie hätten sich eines Tages einen eigenen Altar errichtet. Darüber herrscht nun grösste Besorgnis bei Josua und dem übrigen Teil des Volkes. Die Sorge geht dahin, jene Brüder könnten anfangen, wenn sie nun schon einen eigenen Altar haben, auch einen eigenen Gott zu haben, einen anderen, einen eigenmächtigen Gott. Gewiss ist das jetzt noch nicht ihre Absicht. Gewiss haben sie im Gegenteil den eigenen Altar nur dazu errichtet, um dem gemeinsamen Gott umso treuer und umso näher dienen zu können. So erwidern sie denn, zur Rechenschaft gezogen: "Das sei ferne von uns, dass wir abtrünnig werden von dem Herrn, dass wir uns heute wollten von ihm wenden." Und doch ist die Besorgnis Josuas einfach berechtigt. Denn mancher, sozusagen jeder Abfall von Gott pflegt damit zu beginnen, dass man sich einen eigenen Altar baut. Man kann sich einen eigenen Hausaltar bauen und sich einen Gott zurechtmachen, der in die Familie und ihre Interessen passt. Wir Schweizer können uns einen eigenen Altar errichten und anfangen, einen schweizerischen Gott zu verehren und ihm zu danken und ihn zu bitten, und so kann jedes Volk sich seinen eigenen Altar erstellen. Der Altar des Vaterlandes ist dann unmerklich in den Mittelpunkt gerückt, und nun ist der Weg nicht mehr weit zur Behauptung, das sei nun der rechte und der einzig rechte Altar, und alles, was sich bis dahin Altar nannte, habe zu weichen. Und all das pflegt unmerklich zu gehen, unmerklich so wie dort zur Zeit Josuas. Merkwürdig, wie maskiert, wie erschütternd versteckt das zuzugehen pflegt, wenn ein Geschlecht unter die Botmässigkeit anderer Götter gerät. Josua, sei auf der Hut! Es werden heute eigene Altäre aufgerichtet, ganz ahnungslos und ganz harmlos.

Grosser Gott, zeige mir mit dem hellen Licht deiner Wahrheit, wo mein eigener Altar steht, und zerschlage ihn mir beizeiten. Schenk uns die Gnade, dass auch wir in dieser Zeit bekennen mögen: "Das sei ferne von uns, dass wir abtrünnig werden." Amen.

Ach, Gott vom Himmel, sieh darein / und lass dich des erbarmen: / wie wenig sind der Heilgen dein, / verlassen sind wir Armen. / Dein Wort man lässt nicht haben wahr, / der Glaub ist auch verloschen gar / bei allen Menschenkindern. Martin Luther

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