Seite zurück
Nächste Seite

5. Oktober

Die Nachbedingung

So ihr den Menschen ihre Fehler vergebet, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wo ihr aber den Menschen ihre Fehler nicht vergebet, so wird euch euer Vater eure Fehler auch nicht vergeben. Matthäus 6,14‑15

Es muss einen immer neu bewegen, wenn man aus dem herrlichen Gotteswort hört, wie grosszügig der Vater im Himmel mit seiner Vergebung umgeht. Fast beängstigend freigebig und grosszügig, ja, beinahe möchte man sagen, verschwenderisch giesst Gott seine Huld und Gnade über diese Erde aus. Den reuigen Sünder nimmt er hinein an die festliche Tafel, und dem verlorenen Sohn steht die Tür nicht zum Knechtenzimmer, sondern zur Wohnstube des Vaters offen, und zwar nicht erst im Moment, da er heimkommt, sondern bei Tag und bei Nacht. Völlig ohne Wenn und Aber, ohne Vorbedingung, bietet der Vater seine Güte an: "Wie du bist, so darfst du kommen; höre, was sein Wort verspricht: Du wirst gnädig angenommen; kehre wieder, zaudre nicht." Aber wenn der himmlische Vater auch gar keine Vor-Bedingung macht, so ist nun eben nach der ganzen Heiligen Schrift eine Nach-Bedingung an seine Vaterhuld geknüpft: Wer Gottes Grosszügigkeit und Freigebigkeit angenommen hat, der darf unter keinen Umständen nachher dem Bruder das Bündel schnüren und die Hand verschliessen. Wer zur allzeit offenen Tür eingegangen ist, der darf dann unter keinen Umständen dem Bruder die Tür zu tun und den Tisch verweigern. Wem die Menge der Schuld erlassen ist, der darf dann nachher, beim Hinausgehen, nicht den Mann finden, der ihm schuldig ist, und ihn an der Kehle fassen und bedrängen nach Art jenes Schalksknechtes. Die völlig bedingungslos empfangene Vergebung gilt nur dann, tritt sozusagen nur dann in völlig segnende Kraft, wenn sie an den Bruder weitergeht. Die Bibelstellen und Jesus-Worte sind zahlreich, die sehr ernst auf diese Nach-Bedingung hinweisen: "Wo ihr aber den Menschen ihre Fehler nicht vergebet, so wird euch euer Vater eure Fehler auch nicht vergeben."

Herr, segne du meinen Gang zum Abendmahl so, dass du mir Freudigkeit gibst, zuvor hinzugehen und mich zu versöhnen mit meinem Bruder. Bewahre mich davor, dass ich unverschämt von deinem Tisch profitiere. Amen.

Das sollt ihr, Jesu Jünger, nie vergessen: / Wir sind, die wir von einem Brote essen, / aus einem Kelche trinken, alle Brüder / und Jesu Glieder. Johann Andreas Cramer

Creative Commons-Lizenz

Inhaltsverzeichnis