Ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet, sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch welchen wir rufen: Abba, lieber Vater. Römer 8,15
So, gerade so müssen sie aussehen, die Kinder Gottes! Wenn oft auch äusserlich gebeugt, so doch nicht geduckten Geistes. Nicht scheuen Blickes schauen sie um sich, sondern frei und zuversichtlich, nicht mit verschüchtertem Raunen äussern sie sich, sondern sie "rufen", rufen es herzhaft, rufen es in beinahe familiärem Ton, das "Abba, lieber Vater". Das sind die Kinder Gottes, die so Abba rufen dürfen, die Kinder Gottes, von denen der alte Heidelberger Katechismus sagt, sie werden am Jüngsten Tage "erhobenen Hauptes und getrost" vor den ewigen Richter treten. Aber wieso das? Warum darf dieses Gotteskind nun so herzlich-herzhaft Abba rufen und muss sich nicht "abermals fürchten"? Doch darum, und darum allein, weil der Vater dieses Kind, als es arm und zerlumpt vor der Haustüre stand, nicht draussen stehen liess, sondern es hereinrief. Geschenkt ist hier, wo von der Gotteskindschaft die Rede ist, jeder Faden und jeder Knopf. Empfangen ist alles, empfangen! "Ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen — sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen." Empfangen, empfangen haben wir Gottes Wohlgefallen.
Abba, lieber Vater, ich möchte dir gefallen. Du weisst ja doch und hast es gesehen und gemerkt, dass ich von meiner Jugend an darum ringe, dein Kind zu sein und dein Wohlgefallen zu haben. Ich weiss ja genau, dass ich nur von deinem Gefallen allein lebe. Dein Missfallen wäre mein Untergang. Darum zeige mir, was dir an mir heute Morgen nicht gefällt und was ich, dir zu gefallen, ablegen soll. Du hast mir schon manches gezeigt, zeig mir noch mehr, zeig mir alles. Ich hasse, was dich traurig macht, lieber Vater. Oft hasse ich mein ganzes Wesen, weil ich spüre, dass dir alles an mir nicht gefallen kann. Und doch willst du mich zu deinem frohen Kinde machen, willst nicht, dass ich vergehe in Selbstquälerei. Auf dich will ich schauen, auf deine Freundlichkeit, auf dein väterliches Wesen, auf dein Vateropfer, das du vor aller Welt ans Kreuz erhöhtest. O du unvergleichlicher, einziger Vater. Amen.
Du unser lieber Vater bist, / weil Christus unser Bruder ist, / drum trauen wir allein auf dich / und wolln dich preisen ewiglich. Nikolaus Hermann