Ich bin elend und arm. Gott, eile zu mir, denn du bist mein Helfer und Erretter; mein Gott, verziehe nicht! Psalm 70,6
Die Zahl der Menschen, die "elend und arm" sind, ist eigentlich sehr klein. Arm und elend sind wir eben nicht schon dann, wenn wir Geldmangel haben, sondern erst dann, wenn wir rufen: "Gott, eile zu mir, denn du bist mein Helfer und Erretter." Die Menschen der Bibel, vor allem die Menschen der Psalmen, sind solche Arme, die zugleich elend sind. Sie sind so dran, dass sie keinen Weg mehr sehen, ja nicht einmal mehr einen Weg zu Gott. Sie können nicht einmal mehr sagen, was mir jene fromme Dulderin sagte: "Ein Weg bleibt mir immer offen, nämlich der unterste", ihnen bleibt kein Weg mehr offen, weder ein unterster noch ein oberster Weg. Sie können auch nicht mehr singen: "Näher, mein Gott, zu dir." Alles versagt, wenn wir "arm und elend" werden, auch die Duldermoral und auch die persönliche Frömmigkeit. Es hilft jetzt nur mehr ein letztes Festhalten am Wort, das verheissen ist und geschrieben steht, und aus diesem letzten Festhalten heraus dürfen wir schreien wie dieser Mann des 70. Psalmes: "Gott, eile zu mir; denn du bist mein Helfer und Erretter." Es gibt jetzt keinen Weg mehr von mir zu Gott, es gibt jetzt nur mehr einen Weg von Gott zu mir; aber dieser eine Weg, der Weg Gottes zu mir, der Weg des Gottes, der mir als Retter und Helfer entgegenkommt, so wie sich die Rettungskolonne einem in der Lawine Verschütteten entgegenschaufelt, dieser eine Weg bleibt. Das ist denn im tiefsten Grund auch der Unterschied zwischen unserem Glauben und den Religionen der Welt: Alle Religionen haben das gemeinsam, dass sie einen Weg zu Gott hin zeigen, den der Mensch zu seiner Erlösung zu gehen hat. Unser Glaube aber zeigt uns den Weg von oben nach unten, den Weg vom Himmel zur Erde, den Weg Gottes, den Weg dessen, der gesagt hat: "Ich bin der Weg."
Herr, lass nicht zu, dass ich nie arm und elend werde und an dir vorbei komme. Schenk mir die Gnade, dass ich ganz auf dich und dein Erbarmen geworfen sei in allen meinen Nöten. Sei du bei mir in der letzten Not. Amen.
Such, wer da will, / Nothelfer viel, / die uns doch nichts erworben: / hier ist der Mann, / der helfen kann, / bei dem nie was verdorben. / Uns wird das Heil / durch ihn zuteil, / uns macht gerecht / der treue Knecht, / der für uns ist gestorben. Georg Weissel