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2. August

Die Anarchie

Wer sich nun wider die Obrigkeit setzet, der widerstrebt Gottes Ordnung; die aber widerstreben, werden über sich ein Urteil empfangen. Denn die Gewaltigen sind nicht den guten Werken, sondern den bösen zu fürchten. Willst du dich aber nicht fürchten vor der Obrigkeit, so tue Gutes, so wirst du Lob von derselben haben. Römer 13,2‑3

Auch diesen Satz sagt er merkwürdig allgemein. Wir möchten ihn eines Besseren belehren und ihm sagen, wie viele Obrigkeiten es doch gebe, denen man diese schöne Eigenschaft, dass sie dem Bösen wehren und das Gute nähren, nicht nachrühmen könne. Da kommt mir eine Geschichte in den Sinn, die der nordische Schriftsteller Johann Bojer in einem seiner Bücher erzählt: Nach einer langen fischarmen Periode ist ein ungeheurer Fischschwarm gesichtet worden. Der hat sich in einem der tiefen Fjorde wie in einem Riesensack verfangen. Die Kunde eilt durch alle Fischerplätze. Ein halbes Dutzend Grossfischer aber haben mit ihren Schnellseglern bald den Fjord einfach abgesperrt. Die Kleinfischer aber lassen sich diese Aussperrung als freie Söhne des Meeres nicht einfach gefallen. In einem Massenangriff gelingt es ihnen, mit vereinten Kräften die abriegelnde Kette der Schnellsegler zu durchbrechen. Aber kaum haben die Klein- und Mittelfischer ihr Ziel erreicht, fängt der Kampf in ihren eigenen Reihen an. Erst noch Kameraden, sind sie bald die bittersten Feinde. Die mittelgrossen Netzfischer verdrängen die kleinen Angelfischer von den günstigen Plätzen. Die lockenden Schätze der Tiefe haben sie alle unheimlich verändert; kaum kennen sie sich selber mehr. Von Stunde zu Stunde wächst die Verbitterung, und schon beginnen auch die Grossfischer wieder, sich aufs neue heranzumachen. Eine allgemeine Schlägerei, ein Kampf aller gegen alle, droht sie alle zu verzehren. Da, die Gefahr ist aufs Höchste gestiegen, ertönt weit draussen im Meer ein Signal. Die Kämpfer stutzen. Ein kleiner Dampfer hebt sich vom Horizont. Jetzt wird auf dem Dampfer eine hochragende Gestalt in weisser Mütze sichtbar. Es ist des Königs Schiff, es ist des Königs vereidigter Beamte, der zu Land und Meer die Ordnungen und Gesetze zu handhaben hat. Ein Befehlswort. In einer Stunde ist jedem sein Platz angewiesen, und jeder kann nach seinen Möglichkeiten in Freiheit und zugleich in Beschränkung dem Fang obliegen. Das ist Gottes Dienerin, die dem Bösen wehrt.

Herr, schenk uns eine Obrigkeit, die Frieden und Ordnung schafft und in diesem Sinn deine Dienerin ist. Amen.

Hüter Israels, behüte / uns, die wir uns dir vertraut / und im Schatten deiner Güte / unsre Hütte aufgebaut. / Lass uns ohne Furcht und Grauen / unter deinen Flügeln trauen. Karl Johann Philipp Spitta

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