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12. Januar

Gottes Herablassung

Der Hausvater sprach: Was stehet ihr hier den ganzen Tag müssig? Gehet ihr auch hin in den Weinberg. Matthäus 20,6-7

Er macht sich viel Mühe um seine Arbeiter, dieser Arbeitgeber, er läuft den Arbeitern nach. So sehr wie sich heute der Arbeiter, der zur Stempelstelle geht, demütigen muss, um Arbeit zu erhalten, so sehr demütigt sich hier ein Arbeitgeber, um Arbeiter zu erhalten in seinen Weinberg. Fünfmal an einem Tag, um die erste, dritte, sechste, neunte und dann noch einmal um die elfte Stunde läuft er den Arbeitern nach! Das hat ja beinahe den Anschein, als wäre dieser Hausvater in heller Verzweiflung, wenn er keine Arbeiter für seinen Weinberg fände, als wäre er auf Gedeih und Verderb abhängig von den Arbeitern, die am Markte stehen. Gewiss, das ist ein Arbeitgeber ganz besonderer Art. — Und nun ist es der grosse, grosse, ewig reiche Gott, von dem hier die Rede ist. Gott der Herr macht sich auf und läuft uns Menschen nach; als hätte er uns nötig und nicht wir ihn, läuft er hinter uns her! Als zöge er daraus einen Vorteil, tut er uns Ehre an. Von der Morgenfrühe bis zur elften Stunde müht er sich um uns ab, legt uns förmlich die Hände unter die Füsse, um uns in seinen Weinberg zu holen — und das alles nicht seinetwegen, sondern unsertwegen. So beispiellos ist Gottes Liebe und selbstverleugnende Herablassung, dass er, der Schöpfer und Kreator, seinen Kreaturen nachgeht. Diese Herablassung findet in der Geburt seines Sohnes ihren sichtbaren Ausdruck und Beweis. Welt, was willst du noch mehr, als einen Gott, der aus seiner höchsten Höhe herabsteigt und dir nachläuft?

Liebe, nichts als Liebe! Lauter Liebe ist es, was du, o Herr, für deine Menschenkinder getan hast. Und mich hast du auch gesucht und hast nicht locker gelassen, bis dass ich dir eines Tages stille hielt! Und dass das geschehen ist — auch das ist lauter Liebe. Amen.

Ich erwäg' es oft und viel, / was dich angetrieben, / Sünder ohne Mass und Ziel / bis ans Kreuz zu lieben. / Uns Verlorne zu befrei'n, / hast du Angst und Banden, / Geisseln, Schmach und Todespein / willig ausgestanden. Heinrich Held

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