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31. März

Gott, mein Gott, warum?

Und um die neunte Stunde schrie Jesus laut und sprach: Eli, Eli, lama asabthani? Das ist: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Matthäus 27,46

Die Obersten rufen zum Kreuz hinauf: Er helfe sich selber. Das Volk schliesst sich ihrem Rufe an. Die Kriegsknechte rufen: Hilf dir selber. Sogar einer der Mitgekreuzigten sagt es auch. Wie Frösche aus dem Sumpf dasselbe quaken, so ergeht an jenem Karfreitag Nachmittag aus Lärm und Getöse, aus all dem Gelächter, Gefluch und Gespött der eine Ruf an ihn empor: Hilf dir selber. Hilf dir selber! Das ist unser Menschenruf. So lautet unsere letzte Raison und Weisheit. In diesen Ruf stimmt auch die gesamte mitgefallene Kreatur ein. Die Mücke summt's, und der Löwe brüllt's, und jeder aufwärtsstrebende Zweig am Geranienstock, die ganze Kreatur ruft: Hilf dir selber. Aber da hängt nun Christus am Kreuz. Er hängt gegen alle Welt. Er hilft sich nicht selber. Er ruft: Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Der ganzen Welt gegenüber einzig und allein und einmalig hilft da einer, der die Gestalt der Kreatur trägt, sich nicht selber. Das erträgt keine Kreatur, dass es so einen gibt. Wir können es nicht zugeben, dass es einmal einen gab, der sich nicht selber half. Wir müssen miteinstimmen in den Ruf: Mach es wie wir alle, hilf dir selber. Er aber bleibt hängen mit unaussprechlich ohnmächtigen Händen. Dadurch aber, dass der dort am Kreuz bis zum Schrei: "Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" sich nicht selber hilft, dadurch hat er uns geholfen. Dieser Tiefpunkt seiner Hilflosigkeit ist der Höhepunkt seines Gehorsams. Hier, eingehüllt in seine Niedrigkeit, ist sein Sieg. So wie Gott im Anfang aus nichts die Welt erschuf, so hat er aus diesem Nullpunkt dort am Kreuz die Welt erlöst. Warum Gott ausgerechnet diesen menschenunmöglichen Weg gegangen ist? Hier steht unser Verstand still. Hier können wir höchstens noch feststellen: Es hat Gott gefallen, in diese einmalige Hilflosigkeit hinein seine einmalige Hilfe zu legen. Gott ist Gott. Herr ist sein Name. O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes!

Herr, vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Amen.

Du wirst gegeisselt und mit Dorn gekrönet, / ins Angesicht geschlagen und gehöhnet, / du wirst mit Essig und mit Gall getränket, / ans Kreuz gehenket.
Wie wunderbarlich ist doch diese Strafe! / Der gute Hirte leidet für die Schafe; / die Schuld bezahlt der Herre, der Gerechte, / für seine Knechte. Johann Heermann

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