Gott sprach zu Jakob: Mache dich auf und ziehe gen Beth-El und wohne daselbst und mache daselbst einen Altar dem Gott, der dir erschien, da du flohest vor deinem Bruder Esau. 1. Mose 35,1
Die einzigen Baudenkmäler, die das Gottesvolk kennt, sind solche Gedenksteine der Durchhilfe Gottes, solche Altäre der Danksagung. Sie sollen nicht die grossen Taten irgendwelcher Helden der Vorzeit verherrlichen, sondern an Gottesbegegnungen und gnädige Heimsuchungen erinnern und davon Kindern und Kindeskindern bis ans Ende der Geschlechter Kunde geben. Sie sollen gleichsam Gedächtnisstützen sein, die unserer auffälligen Vergesslichkeit in solchen Dingen aufhelfen, um uns stets neu daran zu mahnen, was Gott Grosses an uns getan hat. Es ist ja merkwürdig bestellt, wie verschieden da unser Gedächtnis funktioniert, wie scharf und dicht es zu sein pflegt für die Dinge dieser Welt, wie man sich sein Leben lang daran erinnert, wenn man einmal einen Fünfliber fand am Strassenbord, wie man aber gar rasch und leicht wieder vergisst, wenn man am Wegrand des Lebens ein Goldkorn der Ewigkeit fand. Darum mahnt ja auch der Mann des 103. Psalmes so eindringlich: "Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat." Und darum soll Jakob in Beth-El einen Altar errichten: "Mache daselbst einen Altar dem Gott, der dir erschien, da du flohest vor deinem Bruder Esau." Wie viele Altäre müsste jeder von uns errichten, wenn wir es überall dort tun müssten, wo wir "flohen vor unserem Bruder Esau" und wo wir trotz unserer Jakobsart Gottes Güte begegneten! Nun aber hat uns Gott selber einen solchen Altar errichtet und ein solches Beth-El geschaffen, als er in jener Nacht zu seinen Jüngern die bekannten Worte sprach: "Solches tut zu meinem Gedächtnis." Dieses Beth-El, das uns an die Entzweiung von unserem Bruder und an die Versöhnung mit ihm und mit unserem Vater im Himmel erinnert, ist der Abendmahlstisch. Flieh nicht länger vor deinem Vater im Himmel, flieh nicht länger vor deinem Bruder Esau, sondern lass dich versöhnen. Ich kannte ein Gotteskind, es ist jetzt heimgegangen, das war so des Dankes voll, dass es das Bedürfnis hatte, allsonntäglich das Abendmahl zu feiern.
Herr, hilf meiner sündhaften Gedächtnisschwäche auf. Deine Langmut ist grösser als unser Undank. O du grosser Gott! Amen.
In dieser schwern, betrübten Zeit / verleih uns, Herr, Beständigkeit, / dass wir dein Wort und Sakrament / behalten rein bis an das End. Nikolaus Selnecker