Gross und wundersam sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott. Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege. Offenbarung 15,3
"Was kein Ohr gehört und was kein Auge geschaut", das darf Johannes hören und sehen. Die Decke ist ihm weggenommen, und es ist ihm wie Schuppen von den Augen gefallen; und sein Herz brennt, und auf seiner Stirne leuchtet der Widerschein der Ewigkeit. Wo wir nichts sehen, da sieht er etwas. Wo wir ein Stäublein erblicken, da sieht er einen Felsblock, und wo unser Auge ein Körnlein sieht, da schaut er einen Berg. Kein Wunder, findet dieser Mann die Worte nicht, in die er giessen könnte, was ihm an Erkenntnis zuströmt. Er muss neue Worte schaffen, und Bilder begegnen uns bei ihm, die wir vorher nirgends angetroffen haben. Er sieht die Sterne vom Himmel fallen, so wie die reifen Feigen vom Baum, wenn er geschüttelt wird. Er sieht einen, aus dessen Mund ein langes Schwert hervorgeht, er hört Stimmen wie Meeresrauschen. Es ist bei ihm wie am Abend, wenn die Schatten riesig wachsen, und es ist bei ihm wie am Morgen, wenn die ersten Sonnenstrahlen von Berggipfel zu Berggipfel hinübergreifen. Darum muss er ausbrechen in den Ruf: "Gross und wundersam!" Das ist sozusagen der Grundton der Offenbarung des Johannes: "Gross und wundersam." Wir Schweizer, die wir in besonders engen Tälern und zwischen besonders engen Grenzen unser Dasein fristen müssen, lieben es, aus unseren eingeengten Verhältnissen und kleinen Möglichkeiten hinaus, auf die Berge zu steigen und sozusagen über den Zaun und über die Mauer in die Ferne zu schauen. Auch Johannes weiss um die Enge unserer Erdentäler und um die Grenzen unseres Menschseins. Aber er ist auf einem Berg gewesen, von dem aus er hinüberschauen durfte. Und was er uns aus dieser Schau zurückruft, heisst: "Gross und wundersam." Vergiss es nie im Wust der tausend Kleinigkeiten deines Lebenstages, es soll dich begleiten und tragen und nicht mehr loslassen, dieses: "Gross und wundersam sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege."
Herr, nun lässest du deinen Diener im Frieden fahren, denn meine Augen haben dein Heil gesehen. Amen.
Jerusalem, du hochgebaute Stadt, / wollt Gott, ich wär in dir! / Mein sehnend Herz so gross Verlangen hat / und ist nicht mehr bei mir. / Weit über Berg und Tale, / weit über blaches Feld / schwingt es sich über alle / und eilt aus dieser Welt. Johannes Matthäus Mayfart