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16. September

Schreiherzen

Weil ihr denn Kinder seid, hat Gott gesandt den Geist seines Sohnes in eure Herzen, der schreit: Abba, lieber Vater! Galater 4,6

Es gibt einen Zustand, da man im Beten keine wohlgesetzten Worte mehr finden kann, da die Not und Aufwühlung des Gemütes so stark wird, dass es einem die Worte zerschlägt. Die Psalmen nennen dies "schreien". Eines der häufigen Worte im Psalmbuch, "schreien"! Das Gotteskind schreit, weil es Hunger und Durst hat nach Gottes Wort, weil es ihm leid tut, wenn es seine Kleider, und nicht nur die Kleider, beschmutzt und zerrissen hat, wie der Sohn, der vom Vater weggelaufen war; nicht zuletzt diese wenig rühmliche, aber sehr lebenswichtige Tätigkeit des Schreiens hat wohl Christus gemeint, wenn er den Seinigen sagte, sie sollten "werden wie die Kinder". Dieses Schreien, dieses Kinderschreien ist eine der vornehmsten und ersten Früchte des Heiligen Geistes: Der Heilige Geist ist Gebetsgeist. Er äussert sich zuerst so, dass er in dem Herzen, in das er eingegangen ist, anfängt zu schreien. Ein vom Heiligen Geist bewohntes Herz wird ein schreiendes Herz. So wie es Kinder gibt, die man Schreihälse nennt, so hat der liebe Gott Kinder, die er "Schreiherzen" nennen würde. Der Heilige Geist, der in ein Menschenherz hereingekommen ist, wird wie ein Vögelein im Käfig, das von Stange zu Stange hüpft, den Gitterstäben entlang streicht und nach Licht und Luft, nach Grün und Freiheit und nach seinesgleichen piepst. Aber es ist dies Schreien ein Schreien besonderer Art, ein Schrei der Bedürftigkeit, ein Schrei der Abhängigkeit vom Vater; darum, wenn es auch ein Schreien ist, so ist es doch ein selig Schreien, denn es ist das Schreien des Kindes, das den Vater kennt und das beim Vater Zuflucht und Heimat weiss. Dies Schreien kann eben nur der Heilige Geist. Nicht wir beten, er, er betet, und er schreit: "Abba, lieber Vater."

Heiliger Geist, richte du durch deine Kinder in dieser Welt ein rechtes Kinderschreien an. Richte eine Gebetsmacht auf in unseren Kirchgemeinden hin und her. Höre nicht auf zu schreien auch in meinem Herzen. Du Geist der Armut und des Betens, lass mich und mein Haus deine Wohnung sein. Amen.

Sein Geist wohnt mir im Herzen, / regiert mir meinen Sinn, / vertreibet Sorg und Schmerzen, / nimmt allen Kummer hin, / gibt Segen und Gedeihen / dem, was er in mir schafft, / hilft mir das Abba schreien / aus aller meiner Kraft. Paulus Gerhardt

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