Ihr habt allezeit Arme bei euch: Mich aber habt ihr nicht allezeit. Dass sie dies Wasser hat auf meinen Leib gegossen, das hat sie getan, dass sie mich zum Grabe bereite. Wahrlich, ich sage euch: Wo dies Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat. Matthäus 26,11‑13
Aber haben die Jünger mit ihrem Protest gegen Verschwendung um der Armen willen nicht doch recht gehabt? Nein und nochmals nein! Nein, sie haben nicht recht, wenn sie ihren Herrn und was ihrem Herrn getan wird, trennen von den Armen und von dem, was den Armen getan werden soll. Dieser König da und die Armen gehören untrennbar und solange es in dieser Welt Arme gibt, zueinander. In seiner Rede vom Jüngsten Gericht, die ja so bedeutsam diesem 26. Kapitel da unmittelbar vorausgeht, hat er es eindrücklich und, sollte man meinen, unvergesslich ausgerufen: "Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich nicht gespeist, ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich nicht getränkt, ich bin ein Emigrant gewesen — ich bin nackt — ich bin krank — ich bin gefangen gewesen — und —" oder: "Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan." Es geht für alle Zeiten nun nicht mehr an, was hier die Jünger versuchen, Jesus gegen die Armen oder die Armen gegen Jesus auszuspielen. Wer die Armen liebt und ehrt, der liebt und ehrt Jesus, und wer sie verachtet, der verachtet ihn. Ja, Christus ist im Moment, da die Frau von Bethanien ihn salbt, selber ein Armer, salbt sie ihn doch zum Tode, ist er doch hier ein sterbender König! Er selber ist hier bereits der arme Lazarus voller Schwären und Wunden. Darum hat sie "ein gutes Werk getan". Von hier aus gesehen geht uns die Erkenntnis auf, wie sehr heute Jesus und die Armen voneinander getrennt und auseinandergerissen worden sind. Es gibt heute eine Fürsorge wie wohl noch nie. Aber sie ist von Christus gelöst. Darum ist der Segen weg. Die Fürsorge ist eine Angelegenheit der Staatskasse geworden. Die Armen sind von Jesus getrennt. Sie haben jetzt nur noch zum Schalter zu gehen.
Herr, du hast alle Armut auf dich genommen. Sie ist dein Eigentum, und du wirst, was dein ist, nicht preisgeben. Amen.
Du reicher Geber aller Hab, / all unser Gut ist deine Gab, / o hilf das Herz erschliessen; / lass sie gemein durch Liebe sein / und reich der Armut fliessen. Viktor von Strauss