Um den Abend wird es licht sein. Sacharja 14,7
Das ist wiederum die "Weltgeschichte", wie Gott sie sieht. Am Eingang dieses Kapitels ist die Rede von Streit und Flucht, vom Beben der Erde; die Täler werden verschoben werden und die Hügel weichen, der Ölberg sogar "wird sich mitten entzwei spalten, von oben bis unten". Und ferner heisst es: "Zu der Zeit wird kein Licht sein, sondern Kälte und Frost." Die Liebe wird in vielen erkaltet sein. Aber diese Zeit der Wehen, der Schmerzen, des Geschreies, der Angst und der Tränen hat einen Sinn. Diese Drangsalszeit wird nicht Ende, sondern Durchgang sein. Durch diese Zeit geht es hindurch, und "um den Abend wird es licht sein". Die Heilige Schrift anerkennt das, was wir da so eigenmächtig "Weltgeschichte" nannten, indem wir mit diesem Geschehen irgendeinmal anfingen und dann an einem selbergemachten Faden aufreihten und diesen Faden dann auch wieder in eine eigenmächtig erträumte Zukunft hineinspannen — dieses seltsame Gebilde, das wir Weltgeschichte nannten, kennt die Bibel gar nicht. Sie kennt nur eine Gottesgeschichte mit dieser Welt und an dieser Welt. Und zwar wird zuletzt nicht Finsternis herrschen, sondern Licht. Nicht der Abend hat das letzte Wort, so wenig er das erste Wort hatte, sondern Gott, der Licht und Finsternis in seiner allmächtigen Hand hält. Man kann diese Botschaft, dass zuletzt nicht die Finsternis triumphieren wird, sondern nach Nacht und Frost die Liebe und das Licht siegen werden, man kann diese Botschaft jetzt nicht oft genug und nicht klar genug ausrufen. Gestern vernahm ich von einer Achtzigjährigen, die über den Weltereignissen am Leben verzweifelt sei. Lasst uns dem Ansprung der Verzweiflung, die ihre Fänge nach uns allen streckt, wie einen Schild das Wort entgegenstemmen: "Um den Abend wird es licht sein." Wir sehen jetzt noch nicht das ganze Licht. Wir sehen die Schatten wachsen und die Nacht hereinbrechen. Jetzt heisst es glauben, was wir nicht schauen.
Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt. Herr, du gingst hinein und hast dich ihnen gezeigt. Sei du das Licht dieses Abends, der du dem Morgensterne rufst und schaffest das Dunkel; Abend und Morgen sind in deiner Hand. Amen.
Ein Tag, der sagt dem andern, / mein Leben sei ein Wandern / zur grossen Ewigkeit; / o Ewigkeit so schöne, / mein Herz an dich gewöhne, / mein Heil ist nicht in dieser Zeit. Gerhard Tersteegen