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2. April

Und die Gräber taten sich auf

Und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen, und die Gräber taten sich auf und stunden auf viele Leiber der Heiligen, die da schliefen, und gingen aus den Gräbern nach seiner Auferstehung und kamen in die Heilige Stadt und erschienen vielen. Matthäus 27,52‑53

Da berichtet Matthäus Dinge, hinter denen unser Verstehen weit zurückbleibt. So wie bei der Geburt des Herrn die Himmel erschauern und die himmlischen Heere in Bewegung geraten, so erbebt beim Verscheiden des Herrn die Erde; Felsen zerreissen, und eine Erschütterung geht durch die Gräberstätten. Der Tod dieses Mannes da am mittleren der drei Kreuze schlägt wahrnehmbare Wellen bis hinein an die Orte der Verstorbenen. Es erfüllt sich hier etwas von der Verheissung, dass Gott dem Abraham aus Steinen Kinder kann erwecken, und dass, wenn die Menschen schweigen, die Steine schreien. So weit geht diese Erschütterung im Totenreich, dass später nach der Auferweckung des Herrn Menschen in der Heiligen Stadt drinnen Erscheinungen von Toten haben, die sozusagen aufgescheucht worden sind vom Grabesschlaf. So wie die Erde beim Tod des ersten Menschen Abel ihr Maul auftat und sein Blut zum Himmel schrie, so tut sie hier, beim Tod des Herrn aller Menschen, ihre geheimnisvollen Abgründe auf, so tiefgehend und so eingreifend ist das Geschehen dieser Stunde. Nicht umsonst sagt das altchristliche Glaubensbekenntnis, Jesus sei nach seinem Verscheiden "niedergefahren zur Hölle". Der Herr hängt tot am Kreuz. Ein Anblick äusserster Hoffnungslosigkeit. Aber nicht tot ist derjenige, von dem geschrieben steht: "Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeisst?" (Jeremia 23.) Wenn aber durch das Beben der Erde droben in der Umgebung von Jerusalem Grabplatten von den Felsengräbern rutschen, dann ist das nicht nur ein Sinnbild, sondern zeigt uns, dass das Sterben vom Karfreitag tatsächlich hineingreift bis in unsere Friedhöfe. Alles scheint aus. Ein Leichnam, nichts anderes mehr als ein schrecklich zugerichteter Leichnam, baumelt da am Pfahl. Aber siehe da, nun fängt's an sich zu regen um diesen Leichnam herum, nun hebt es an mit tausend Fingern auf ihn zu zeigen. Menschenfinger genügen nicht mehr. Tote Gegenstände werden zu Fingern, das Vorhangtuch im Tempel und die Felsklüfte in den Bergen, ja selbst die Toten müssen jetzt mit ihren Knochenfingern anfangen, auf ihn zu zeigen, auf den, der die Wahrheit und das Leben ist. Die Menschen schweigen. Terror hat ihnen den Mund gestopft. Nun schreien die Steine.

Wenn du, Herr, die Gefangenen Zions erlösen wirst, dann werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsere Zunge voll Rühmens sein. Amen.

Wahrlich, Steine müssen reden, / wenn der Mund der Boten schweigt. / Ja, die Felsen dieser Erden / müssen lauter Zeugen werden, / wenn kein Mund von Christo zeugt! / Wahrlich, Steine müssen reden, / wenn der Mund der Boten schweigt.

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