Haltet an am Gebet. Römer 12,12
Unser Beten hat etwas Lückenhaftes und etwas Sprunghaftes an sich. Es trägt die Spuren unserer Gebrechlichkeit und unseres Menschseins. Es ist wie nichts vollkommen an uns. Unheimlich, wenn das Beten zur Kunst würde, die man beherrschen könnte. Ich hörte einmal einen Gottesmann beten: Herr, vergib mir meine schönen Gebete. Diese Lückenhaftigkeit ist allerdings nicht nur unserem Fleisch zuzuschreiben. Auch von oben her gesehen gibt es dafür eine Erklärung. Der Heilige Geist ist eben tatsächlich nicht immer in gleicher Stärke gegenwärtig. Es gibt Reichsgotteszeiten, Zeiten, da es einen Ruck vorwärts geht mit Gottes Sache, Zeiten, da ein mächtiger Einschlag von oben hereinbricht in die Welt und Zeit, und da man wie von einer Welle sich getragen fühlen darf. Und dann gibt es wieder Zeiten, da alles bleiern und zähflüssig seinen Lauf zu gehen scheint. Es gibt leere Zeiten und gefüllte Zeiten, Zeiten grosser Möglichkeiten und solche, die wie mit einem Brett vernagelt scheinen. Zeiten, da Gott seine Gerechtigkeit ausschüttet wie einen Strom, und dann ist das Wort Gottes wieder teuer im Land. Das heisst, es gibt für uns benutzte Gelegenheiten und verpasste Gelegenheiten. Und doch gibt es bei all diesem Wechsel eine gleichbleibende Treue des Heiligen Geistes, der eine gleichbleibende Treue und ein Anhalten im Gebet bei uns armen Menschen entsprechen darf. Das meint der Apostel, wenn er sagt: "Haltet an am Gebet." Auch wenn unser Beten ein gar dünnes Rieseln und ein gar mageres Tröpfeln wird, haltet dennoch an am Gebet. Lasst euch nicht verdriessen. Auch Tropfen sind hier köstlich. Und wenn unser Beten fast ein Vertröpfeln wird, haltet dennoch an am Gebet, betet ohne Unterlass. Dass wir arbeiten müssen ohne Unterlass, wenn wir leben wollen, das wissen wir doch und ist doch selbstverständlich. Wieso ist es uns denn mit dem Beten nicht so klar? Kommt's etwa weniger aufs Beten an? Wieso können wir manchmal im Beten Unterbrechungen ertragen? Dass die Wasser-, Gas-, Licht- und Telefonleitung zu unserem Haus nicht darf unterbrochen werden, das ist uns doch klar. Wie sollte es weniger schaden, wenn die höchste Leitung unterbrochen wird? Lasst nicht unterbrechen. Betet ohne Unterlass.
Herr, du kennst meines Lebens tiefste Not. Lass mir's von heute ab immer weniger gelingen, zu leben ohne dieses Anhalten am Gebet. Amen.
Amen zu aller Stund / sprech ich aus Herzensgrund; / nun wollest du uns leiten, / o Herr, zu allen Zeiten, / auf dass wir deinen Namen / ewiglich preisen. Amen. Sigismund Weingärtner