Jesus sprach: Jetzt ist meine Seele betrübt, und was soll ich sagen? Vater, hilf mir aus dieser Stunde. Johannes 12,27
Welch ein ungewohntes Wort, das hier über unseren Dank-, Buss- und Bettag zu stehen kommt! Jesu Seele ist betrübt. Sie ist betrübt darüber, dass die Menschen so sind, wie sie sich ihm gegenüber in grauenvoller Wirklichkeit enthüllen. Ihn, ihre Rettung und ihr Leben, stossen sie von sich. Zu diesen Menschen aber, die Jesu Hilfe und Rettungstat ablehnen in stumpfer Verblendung, gehört auch mein Volk. Kann darum Jesu Seele anders, als über uns betrübt sein heute? Es reift über unserem Volk ein Gericht herauf, das wenige ahnen. Das Gefäss unserer Sünden ist schon bald voll bis an den Rand. Einst wird es zum Überfliessen kommen. Wohl spüren viele, dass sich "etwas vorbereitet". Aber dass dieses "Etwas" eben Gericht, gerechtes Gericht über unsere ganz besonderen Schweizer Volkssünden sein könnte, diese Erkenntnis der Busse vor Gott ist rar im Volk. Es ist erschütternd, wie tief besonders beim einfachen Volk die seltsame Gewissheit eingewurzelt ist, Gott könne nicht anders, als die Schweiz immer neu wieder von allem Argen verschonen. Aber Jesu Seele ist nicht nur über die anderen Völker, sie ist auch über unser Volk betrübt. Sie ist betrübt über unseren Geldgeist, betrübt über unsere helvetische Krämerseele, betrübt darüber, dass wir seit Jahrzehnten den Profit davon zogen, wenn andere Völker bluteten, betrübt darüber, dass wir Geld verdienten, während andere ihre Söhne zur Schlachtbank sandten. Jesu Seele ist betrübt darüber, dass wir wohl ein Gastland der Welt sind, aber nur soweit uns diese Welt mit gefüllten Geldbeuteln an die Grenzen kommt, nicht aber, wenn es sich um mittellose Fremdlinge handelt. Wenn es uns nicht bange ist, Jesu Seele ist betrübt, "ihm ist's um unsere Rettung gar bange". Und er kann im Blick auf die Menge unserer Sünden, er kann für uns nur rufen: "Vater, hilf mir aus dieser Stunde." Nicht für sich ruft er hier um Hilfe, uns meint er damit, wenn er ruft: "Vater, hilf mir." Wir haben noch Hoffnung. Unser ewiger Hoherpriester und Fürbitter ruft für uns um Hilfe vor Gottes Thron.
Herr Jesu, habe herzlichen Dank dafür, dass du auch mein Volk einschliessest in deine allmächtige Fürbitte am höchsten Thron. Herr, wer als du kann uns vom Tode helfen? Amen.
Wir stehn in deinem Heiligtum, / Herr, unser Gott, der Völker Hirt, / der ewig Treue halten wird, / und singen dir Dank, Preis und Ruhm. / Du hast zu unsrer Väter Zeit / von fremdem Joche uns befreit, / hast wunderbar ob uns gewaltet. / Wir aber, weit von dir verirrt, / von Sünd und Leidenschaft verwirrt, / sind in der Lieb und Treu erkaltet. Salomon von Birch