Wohl dem Menschen, dem der Herr die Missetat nicht zurechnet, in des Geist kein Falsch ist. Psalm 32,2
Was für ein merkwürdiger Nachsatz: "In des Geist kein Falsch ist!" Was soll das bedeuten? "Falsch" ist unser Geist jedenfalls dann, wenn wir aufgehört haben, einfältig zu sein, dann, wenn wir nicht mehr nur ein Ziel im Auge haben, nicht mehr nur eine Möglichkeit sehen, dann, wenn unser Herz geteilt ist zwischen Gott und Mammon, dann, wenn Christus nicht mehr unser alleiniger Erlöser und Heiland ist. Nur die Einfalt des Herzens vermag das gottselige Geheimnis zu fassen und es hernach auch zu ergreifen, das darin besteht, dass "der Herr die Missetat nicht zurechnet". Die Einfalt, die aufgehört hat zu rechnen und abzuschätzen und abzuwägen und zu markten, die keine Ausflüchte und Beschönigungen und Entschuldigungen mehr vorzubringen hat, jene Einfalt des Glaubens, die in völliger Wehrlosigkeit zugibt, dass man ein böses Kind ist, und dass der Vater einfach recht hat, wenn er zürnt. Dieser Einfalt der menschlichen Busse entspricht nämlich eine Einfalt der göttlichen Gnade. Bei Gott ist alles eindeutig. Bei Gott hören die Nuancen und Übergänge auf, und da ist das Ende der Mehrzahl von Möglichkeiten. Hier gibt es nur noch Unmöglichkeiten bei uns Menschen, und die eine Möglichkeit Gottes dem gegenüber. Hier gibt es nur mehr menschliche Not und göttliche Hilfe, hier Sünde, dort Vergebung, hier Finsternis, dort Licht, hier Tod, dort Leben, hier der arme Sünder, dort der heilige Gott, hier das verlorene Kind, dort der erbarmende Vater. Sobald wir in dieser Einfalt Gottes anfangen, "viele Künste zu suchen, kommen wir weiter nur vom Ziel".
Mein Herr und Vater im Himmel, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüte und aus allen meinen Kräften möchte ich mich an deiner Hand halten, möchte einfältig werden, möchte werden wie die Kinder, denn mich verlangt nach deinem himmlischen Reich. Um dies eine bitte ich dich, Gott, um einen Geist ohne Falsch, der die eine Möglichkeit erkennt und die eine Rettung ergreift. Amen.
Mache mich einfältig, / innig, abgeschieden, / sanft und still in deinem Frieden! / Mach mich reines Herzens, / dass ich deine Klarheit / schauen mag in Geist und Wahrheit; / lass mein Herz / himmelwärts / wie ein Adler schweben / und in dir nur leben. Gerhard Tersteegen