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11. November

Die Aufgabe des Alters

Gott, du hast mich von Jugend auf gelehrt, und bis hierher verkündige ich deine Wunder. Psalm 71,17

Hier redet ein Greis. Greise haben etwas zu sagen. Sie haben uns Jungen die Lebenserfahrung voraus. Der alte Mann erzählt denn in der Regel nicht ungern aus seinem Leben. Er erzählt, was er alles geleistet hat damals, als er noch bei Kräften war, und vor allem, was er "im Leben alles hat durchmachen müssen". Ich erinnere mich an zahllose Gespräche, die darauf hinausliefen, dass "kein Mensch weiss, was ich ausgestanden habe". Solches Erzählen dessen, was man erfahren hat, ist das gute Recht des Alters. Der Kämpfer darf seine Narben zeigen. Der Drückeberger hat nichts zu zeigen. Und doch, und doch sollte es bei solchen "Lebenserinnerungen eines alten Mannes" nicht nur beim Böshaben, bei den Schlägen und Püffen15) sein Bewenden haben, die einem "das Leben" versetzt hat. Ihr lieben Alten alle, ihr hättet an uns Jungen eigentlich noch eine ganz andere Aufgabe. Ihr dürftet in euren Erzählungen unter keinen Umständen bei dem steckenbleiben, was ihr geleistet und gelitten habt, müsstet noch ganz anders mit uns über Gottes Taten und Leiden, auch über Gottes Durchhilfen, zu uns reden. Ihr dürstet uns nicht vorenthalten, was ihr für Gotteserfahrungen gemacht habt im Leben. Ihr ahnt kaum, was für eine entscheidend wichtige Aufgabe das wäre. Unseren schwankenden, so wenig erprobten und erfahrenen Glauben könntet ihr uns stärken durch die Glaubenserfahrungen, die ihr uns voraushabt. Ihr alle habt in eurem Leben Wunder erlebt. Diese sind dazu da, nicht verschwiegen zu werden. Ich erinnere mich an eine alte, würdige Witwe, die alles andere war, nur nicht schwatzhaft. Aber wenn sie ihren Mund auftat, dann war es den Jungen zur Lehr, dann war es Gott zur Ehre, dann war sie Gotteslehrerin (Titus 2). Sie hat mir einmal gesagt, wenn man so drei Generationen in einem Dorf überblicken könne, dann beurteile man manches anders und komme immer weniger dazu, am Walten einer göttlichen Gerechtigkeit zu zweifeln. Und wenn man erst dreissig Generationen überschauen könnte, dann würde man ausbrechen in ein Loben und Preisen.

Öffne du, Herr, den Mund unserer Väter und Mütter, dass sie ihre Kinder und Kindeskinder lehren. Gib ihnen eine "gelehrte Zunge", deinen Namen zu preisen und von deinen Wundern zu erzählen. Amen.

O ihr Jungen und ihr Alten, / lobet Gott ohn Unterlass, / dass der Himmel aufgespalten / und mit Gnad ohn alle Mass / uns Verlorne überschüttet, / uns macht selig. Drum sei Gott / Lob und Dank in Ewigkeit. Johannes Zwick

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