Seid lauter und unanstössig auf den Tag Christi, erfüllt mit Früchten der Gerechtigkeit, die durch Jesus Christus geschehen in euch zur Ehre und zum Lobe Gottes. Philipper 1,10‑11
Ist das aber eine umständliche Sprechweise! Statt dass der Apostel frisch und flott zum Rechtsein und zum Gutestun auffordert, redet er von "Früchten der Gerechtigkeit". Warum so kompliziert? Man möchte sagen: Warum einfach sich ausdrücken, wenn's kompliziert auch geht? So fragen wir wohl oft unwillig, wenn wir anfangen, die Bibel zu lesen. Mit der Zeit aber merken wir, dass Gottes Wort ungeheuer exakt ist. Gott kommt's eben wirklich drauf an, ob ich einfach ein Mensch sei, der "ein gutes Herz hat" und "eine offene Hand für jedermann", somit eine Art halber Heiliger, der sich loben und lieben lässt, oder aber, ob ich ein Zweig bin, festgewachsen an dem Baum, der "Früchte der Gerechtigkeit" trägt, an Jesus Christus, der allein heilig ist und allein zu loben und über alles zu lieben. Nicht mit irgendwelchen "Wohltaten" und "Wohltätigkeiten" gibt sich Gott zufrieden, die einem vielleicht zu propagandistischen Zwecken für irgendwelche dunkle oder halbdunkle Sache gerade gelegen kommen, nein, Gott behält sich vor, unsere "Wohltaten" genau daraufhin zu untersuchen, an welchem Baum sie gewachsen seien. Darum redet Gott so präzis mit uns. Unsere "guten Werke" sind vor ihm nur genehm, wenn sie Ausdruck unserer Gotteskindschaft sind, sozusagen Kindergaben und nicht Leistungen zu unserer Ehre. Hast du schon Kinder schenken sehen? Letzthin an einem Sonntagnachmittag sass ein Bettler am Margarethenpark. Kleine Kinder reichten ihm Bätzlein dar, dieweil er die Orgel drehte. O diese schenkenden Kinderhändchen! So ganz und gar nicht gönnerhaft, so ganz und gar nicht von oben herab, sondern eher von unten herauf, mit aufgeschlagenem, strahlendem Blick! Wenn ich solche Kinderhändchen schenken sehe, dann überfällt mich das Heimweh nach dem Himmelreich. Und so gar nicht aus dem eigenen Sack, sondern aus der Tasche des Vaters! Sie haben zuerst selber ihre Händchen ausstrecken müssen, bevor sie weiterschenken konnten. Gotteskinder können nur als "Gesegnete des Vaters" schenken, nie als Wohltäter aus eigenem Beutel.
Herr, mach mich auch im Geben und im Schenken immer mehr zum Kind. Was habe ich, das ich nicht zuvor von dir empfangen hätte? Du aber wirst fragen, was wir aus unserem Pfund gewuchert haben. Sei uns gnädig. Amen.
Hilf mir und segne meinen Geist / mit Segen, der vom Himmel fleusst, / dass ich dir stetig blühe; / gib, dass der Sommer deiner Gnad / in meiner Seele früh und spat / viel Glaubensfrücht erziehe. Paulus Gerhardt