Wohl dem, der sich des Bedürftigen annimmt. Den wird der Herr erretten zur bösen Zeit. Psalm 41,2
"Zur bösen Zeit." Wir sind im Bild. Es bedarf keiner umständlichen Erläuterung, was das heisst. Das ist ja unsere Zukunft, von der wir wissen, dass sie jeden Tag näher kommt und dass wir ihr nicht entrinnen werden. Die "böse Zeit" ist die kommende Zeit. Und auch das wissen wir, dass es zur "bösen Zeit", wenn alle Banken krachen und alle Pfeiler wanken und alle Krücken brechen, dass es dann nur mehr eines gibt, auf das wir zählen können, und das ist die Rettung, Rettung von aussen und oben, Rettung durch Gottes Hand. Keine Flucht und keine Selbsthilfe, nur Rettung hat dann noch Chance. Aber nun macht uns diese Aussicht auf die "böse Zeit" Angst. Und es geschieht, dass wir in dieser Angst und Beklemmung erst recht versuchen, uns zu sichern und zu schützen und zu versorgen und vorzusehen. Die Angst macht unseren natürlichen Egoismus nun erst noch recht zum gierigen Krampf. Unser Ich wird nun im Blick auf die böse Zeit erst recht zum gefrässigen Schlund, der alles rücksichtslos in sich hineinschlingt. Die Angst vor der bösen Zeit will zur verzehrenden Panik werden. Unser Psalmwort aber zeigt uns eine andere Möglichkeit des Verhaltens im Blick auf die böse Zeit. Das ist die Liebe, die freimacht von Angst, die Liebe, die nicht an sich rafft, sondern ausgibt, die "sich des Dürftigen annimmt". In der bösen Zeit wird die Frage gross an uns herantreten, was wir getan oder auch nicht getan haben einem unter diesen geringsten Brüdern. Wer der Liebe Raum gewährt, der wird im Blick auf die böse Zeit getrost. "Furcht ist nicht in der Liebe."
Du, Herr, hast dich gnädig meiner Notdurft angenommen. Lass mich ein Bote deiner Liebe sein an den Bedürftigen. Zeig auch meinem Nachbar den Weg der Erlösung von der Angst. Amen.
Lass mich an andern üben, / was du an mir getan, / und meinen Nächsten lieben, / gern dienen jedermann / ohn' Eigennutz und Heuchelschein / und, wie du mir erwiesen, / aus reiner Lieb allein. Justus Gesenius