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27. August

Der andere

Ein jeglicher aber prüfe sein eigen Werk. Galater 6,4

Wenn es einen Sinn hätte, zu fragen, welches wohl das schwerste Gebot der Bibel sei, dann müssten wir wohl sagen: Dieses hier, dass ein jeglicher prüfe sein eigen Werk. Das gerade ist es ja eben, was wir immer wieder nicht tun und nicht können. Gerade die tüchtigsten Menschen können es nicht, ihr eigen Werk prüfen. Wir können wohl das Werk der anderen prüfen, nicht aber unser eigenes. Wir sind wie der Friseur, der sich nicht selber scheren kann, wir sind wie der Arzt, der oft nicht vermag, seine eigene Krankheit zu erkennen und sich selber Medizin vorzuschreiben. Wir sind nun einmal angewiesen auf den anderen. Wir sind es nicht nur zur Prüfung unserer Werke, wir sind es auch sonst, sind es ganz allgemein, sind es auf Schritt und Tritt. Wir können nun einmal nicht uns selber leben. So manches haben wir nun gesagt, was wir dem anderen schuldig sind als Bürger dieser Welt und als Christenmenschen; aber wer weiss, vielleicht ist einer hier, der gemerkt hat, dass das Sichhelfenlassen durch den anderen ebenso schwer ist, wenn oft nicht schwerer, als ihm zu helfen, und dass es nicht weniger die Gnade des Geistes braucht, um vom anderen einen Dienst anzunehmen, wie es braucht, um ihm diesen Dienst zu tun. Das ist der Grund, warum Christus nie einen Jünger allein auf die Arbeit schickte, das ist sicher auch der Grund, warum der Apostel Paulus nie ohne Mitarbeiter auf einen Weg sich begab. Wir haben die Kontrolle des anderen nötig. Das gehört zum einzigartigen Segen der christlichen Gemeinschaft, dass man da die Bereitschaft bekommt, sich vom Bruder beaufsichtigen, wo es nötig ist, warnen, wenn nicht gar strafen zu lassen. Das ist aber wie gesagt eine so heikle Sache, dass jeder Versuch ohne Christus scheitern wird. Nur innerhalb des Raums gemeinsamer Sündenvergebung kann dieser schwerste und schönste Bruderdienst vor sich gehen.

Herr Jesus, zeig deiner Kirche, was die Gemeinschaft der Sünder ist. Mach mein Herz brüderlicher Ermahnung zugänglich. Heiliger Geist, erforsche mich und erfahre mein Herz. Amen.

Kommt, Kinder, lasst uns wandern, / wir gehen Hand in Hand. / Eins freuet sich am andern / in diesem fremden Land. / Kommt, lasst uns kindlich sein, / uns auf dem Weg nicht streiten; / die Engel selbst begleiten / als Brüder unsre Reihn. Gerhard Tersteegen

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