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24. Dezember

Die Menschwerdung

Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns. Johannes 1,14

Das ist der entscheidende Schlag Gottes. Aber nicht, um zu vernichten, sondern um zu erlösen, sozusagen ein Gewaltstreich der Liebe. So wie die Mutter sich über ihr brennendes Kind wirft, so wie ein Vater sich den feindseligen Wellen entgegen wirft, um sein Kind zu retten, genauso "wird das Wort Fleisch", ausgerechnet Fleisch! Er ist genau das geworden, was wir sind, und hat damit unsere Brandmale auf sich genommen. Es hat ja etwas überaus Demütigendes an sich, dass wir Fleisch sind. Unser Fleisch ist nicht nur Glutherd aller dunklen Leidenschaften, sondern auch der Ort, wo wir am augenfälligsten dem Tod erliegen. Unser Fleisch ist ein gar starkes Bollwerk gegen Gott und seine Sache. Und gerade da hakt Gott ein. Das Wort wird Fleisch. Gott geht nicht den Weg des geringsten Widerstandes, sondern setzt gerade dort seinen Fuss in die Welt, wo sie am meisten und am stärksten Welt ist, ins Fleisch. Darum ist er ins Fleisch gekommen, um die Erlösung vom Fluch allen Fleisches ganz real, durch und durch, unmissverständlich und völlig zu vollziehen. Das Wort ward Fleisch. Es hat mir einer gesagt, das sei das allerdunkelste Wort der Heiligen Schrift. Gewiss. Es ist tatsächlich nicht fassbar, dass das ewige Wort sozusagen in die Haut eines kleinen Menschen schlüpft. Aber wenn man bedenkt, dass Christus nach dem ewigen Liebeswillen des Vaters eben nicht nur ein Heiland der Seelen und der Geister werden sollte, sondern ein ganzer Heiland, dass sein Erbarmen aufs Ganze gehen will, dann wird das dunkelste Wort zum hellsten Wort, und man verwundert sich nicht mehr darüber, dass in jener Nacht der Himmel sich auftat und die Engel jubilierten.

Lass, Herr und Heiland, auch in mein armes Herz hinein einen Ton vom Gesang der Engel dringen. Lass mich ganz still und getrost werden vor dem Geheimnis deiner Menschwerdung. Amen.

Halt im Gedächtnis Jesu Christ, / o Mensch, der auf die Erden / vom Himmelsthron gekommen ist, / dein Bruder hier zu werden! / Vergiss nicht, dass er dir zugut / hat angenommen Fleisch und Blut. / Dank ihm für diese Liebe. Kyriakus Günther

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