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18. September

Psalm 13

Ich will dem Herrn singen, dass er so wohl an mir tut. Psalm 13,6

In Gottes Art mit uns Menschen und mit dieser Welt fällt immer wieder zweierlei auf: Einmal, dass Gott auf weite Sicht handelt, so dass wir Menschen gut tun, uns auf lange Wartezeiten gefasst zu machen. Wer sich mit Gott einlässt, kann nicht mehr Zeit und Stunde bestimmen. Er, der sogar Könige einsetzt und absetzt, er setzt auch dir die Stunde und den Tag und das Jahr. So sind wir denn, wie wir bereits gesehen haben, in der ganzen Heiligen Schrift immer wieder aufs Warten und Harren, ja aufs Ausharren und geduldige Stillehalten angewiesen. Aber nun geht noch ein zweiter Zug durch Gottes Wort, von der ersten bis zur letzten Seite: Gott handelt, wenn die Stunde da ist, plötzlich und unerwartet. Seine Hilfe bricht blitzschnell herein und überraschend. So lange auch Gott die Seinigen kann warten lassen ‑ wenn er aber dann hilft, dann kann er im Handumdrehen helfen. Gott hat's eben völlig in seiner Hand. Das Warten und das Handeln, beides ist sein. Was die Zeit anbelangt, ist er unberechenbar und will es absichtlich sein. Aber nicht unberechenbar wie ein Tyrann in seiner Tücke, sondern unberechenbar wie ein Vater, der warten lässt und Überraschungen bereitet seinen Kindern. Diese beiden Arten Gottes, mit uns zu handeln, sind besonders deutlich sichtbar in den Psalmen, unter allen am deutlichsten in diesem lieben kurzen Psalm 13. Herr, habe Dank für den Trost, den ich aus diesem Psalm an Krankenbetten habe weitergeben dürfen. Der Mann dieses Psalmes spricht aus, was in ungezählten stillen Seufzern bei Tag und bei Nacht zum Himmel steigt. Nicht weniger als viermal hintereinander hören wir ihn rufen: "Wie lange?" Wie lange soll's noch gehen? "Wie lange willst du mich so ganz vergessen?" Und nach langer, langer Wartezeit ist dann die Antwort gekommen, jene Antwort, die noch keinem einzigen aufrichtigen Schrei zum Vater versagt blieb. Er muss nun nicht mehr rufen: Wie lange? Die Qual dieses Schmerzensschreies ist ihm weggenommen. Sein gebrochener Geduldfaden ist gleichsam neu geknüpft, so dass es für ihn wieder erträglich ist, und zuletzt, in unerhörter Wendung des Glaubens, ruft uns aus eben diesem 13. Psalm, aus dem gleichen Mund das Zeugnis entgegen: "Ich will dem Herrn singen, dass er so wohl an mir tut."

Herr, wenn deine Stunde sich findet, dann wird alle Welt staunen. Amen.

Wird uns auch nach Troste bange, / wenn das Herz oft rufen muss: / Ach, mein Gott, mein Gott, wie lange? / O so mache den Beschluss, / sprich der Seele tröstlich zu / und gib Mut, Geduld und Ruh. Heinrich Held

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