Du bist mein Gott von meiner Mutter Schoss an. Psalm 22,11
Hier redet die Gewissheit der Erwählung. Es gibt tatsächlich Menschen, denen ist ein ganz eindeutiges und klares Wissen darum gegeben, dass Gott sie erwählt hat. Und zwar ist es dann gewöhnlich nicht irgendwelche allgemeine theoretische Erwähltheit, sondern eine Erwählung zu einem ganz bestimmten Werk. Alles in ihrem Leben zeigt hin auf diese eine, ganz besondere Aufgabe. Merkwürdig aber ist, dass solches Wissen um die Erwählung gepaart zu sein pflegt mit ganz besonders viel Kreuz und Leid. Es ist also nicht eine beneidenswerte Sache, wenn einer sich erwählt weiss "von seiner Mutter Schoss an". Es ist das eine Erwählung für den Schmelzofen des Leidens. Denn Gott stäupt einen jeglichen Sohn, den er annimmt. Es gibt umgekehrt auch ein falsches Sendungsbewusstsein, das dem richtigen sehr ähnlich ist. Und doch gibt es einen Unterschied zwischen der rechten und der falschen Erwähltheit. Die falsche, satanische Erwählung führt von Erfolg zu Erfolg und kann unter Berufung auf den Allmächtigen über Leichen schreiten. Es muss, weil sie mit ähnlicher Sprache und mit ähnlichen Schlussfolgerungen auftritt, diese Erwählung von unten genau und sorgfältigst unterschieden werden von der Erwählung aus der Höhe, die hier im Psalm 22 gemeint ist. Nicht umsonst beginnt dieser Psalm mit den uns aus der Passion so wohl bekannten Worten: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" In die völlige Verlassenheit hinein hat der Weg dessen geführt, den Gott erhöht hat und ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist, auf dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und jede Zunge soll bekennen, dass Jesus der Herr sei. Er ist der in ganz besonderem Sinn "Erwählte von seiner Mutter Schoss an".
Herr, lehre deine Gemeinde unterscheiden zwischen dem, was du erwählt hast, und dem, was die Teufel sich erwählen. Schenke den Völkern, schenk deiner Kirche Männer und Frauen, die du erwählt und gesandt hast. Herr, wir danken dir, dass wir in dieser trüben Zeit hoffen dürfen, dass der Mutterschoss bereits bestimmt ist in deinem Rat, der deinen erwählten Gottesmann tragen wird. Erbarme dich deiner Kirche. Amen.
Nicht wir haben dich erwählet, / du selbst hast unsre Zahl gezählet / nach deinem ew'gen Gnadenrat. / Unsre Kraft ist schwach und nichtig, / und keiner ist zum Werke tüchtig, / der nicht von dir die Stärke hat. / Drum brich den eignen Sinn; / denn Armut ist Gewinn / für den Himmel. / Wer in sich schwach, / folgt, Herr, dir nach / und trägt mit Ehren deine Schmach. Albert Knapp