Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander nehmet? Und die Ehre, die von Gott allein ist, suchet ihr nicht? Johannes 5,44
"Sie haben ihren Lohn dahin", nämlich die Pharisäer, die an den Ecken stehen und für ihre frommen und wohltätigen Leistungen von den Menschen Ehre nehmen. Es ist das eine Ehre ganz besonderer Art, nicht jene weltliche Ehre, die die Völker ihren Helden darbringen, indem sie ihnen Denksteine setzen und einen Platz geben im Ahnentempel. Es gibt ausser diesem heidnischen auch ein frommes Ehre-Geben und Ehre-Nehmen, und das ist hier gemeint, wenn Christus sagt: "Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander nehmt?" Das ist die Ehre, die wir uns nicht für Heldentaten auf dem Gebiet des Krieges oder der Technik, auf dem Gebiet der Zerstörung oder des Aufbaues des Lebens zollen, sondern das ist eine Ehre, die wir uns auf Grund grosser Leistungen im Reiche Gottes gegenseitig geben, die Ehre eines auffälligen Tugendlebens oder die Ehre auf dem Gebiet der theologischen Erkenntnis oder auf dem Gebiet der mildtätigen Handreichung. Die Heilige Schrift nennt all diese "Leistungen" bewusst "Gaben", Gnadengaben, für welche somit die Ehre nicht den Gefässen und Werkzeugen dieser Gaben zufällt, sondern dem "Geber aller guten und vollkommenen Gabe". Das ist ja das Merkwürdige, dass alle Ehre, die wir im Reiche Gottes voneinander nehmen, unfehlbar eine Schmälerung der Ehre Gottes bedeutet. Die Ehre, die wir also hier einander geben und voneinander annehmen, ist also erst eigentlich Sünde. Die Ehre, die wir in der Kirche Christi voneinander nehmen, ist nach Jesu Wort eine Vorwegnahme des himmlischen Erbes. Man kann dieses Erbe schon in der Zeit anbrauchen, und dann ist es eben "dahin". Wer um der Menschen Ehre geizt, der geht der anderen Ehre, die "von Gott allein ist", verlustig. Aber, fragen wir nun nachgerade, was ist denn das für eine Ehre, die "von Gott allein ist"? Hört da nicht überhaupt alle Ehre auf? Steht nicht: "Sie mangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollten"? Das ist ja das gottselige Geheimnis, dass es vor Gott noch eine Ehre gibt. Es ist die Ehre dessen, der sich durch Christus "zu Ehren gezogen weiss", die Armensünderehre.
Herr, so du willst, kannst du mich von meinem Geltungstrieb reinigen. Du nimmst mich endlich mit Ehren an. Herr, Jesu, du bist mein Schmuck und Ehrenkleid. Amen.
Ist Gott mein Schutz, / will Gott mein Retter werden, / so frag ich nicht / nach Himmel und nach Erden / und biete selbst der Hölle Trutz. Christian Fürchtegott Gellert