Niemand kann seinen Bruder erlösen noch ihn mit Gott versöhnen, denn es kostet zu viel, ihre Seele zu erlösen, man muss es lassen anstehen ewiglich. Psalm 49,8‑9
Dieser Mann, das ist von ihm zu sagen, ohne dass man fehlgeht, weiss jedenfalls, was Erlösung ist. Er weiss es viel besser und nimmt die Erlösung viel ernster als manch ein Christ, der nur allzu leicht und selbstverständlich mit dieser einen köstlichen Perle spielt, als wär's ein gemeines Samenkorn. Auch wenn er die Erlösung selber noch nicht hat, er weiss um deren Wert und Preis, weiss, dass kein Mensch sie kaufen kann. Es kann vorkommen, dass man bei gewissenhaften Weltkindern etwas von diesem Wissen antrifft. Man kann da etwa hören: Ja, wenn ich anfangen wollte, meine Sünden zu bekennen, dann kämen Sie diese Nacht nicht ins Bett, wir würden noch am Morgen reden. Oder: Ich bin eben ein ganz besonderer Fall, so einer wie ich ist noch nie gewesen. Fur mich müsste es eine ganz besondere Gnade geben, sollte für mich noch eine Hoffnung sein. Das ist jenes Wissen darum, dass, wollte Gott mit mir ins Gericht gehen, ich ihm auf tausend nicht eins antworten könnte. So sagt dieser Mann da, vielleicht ist's einer vom Kaufmannsstand, "es kostet zu viel", man kann's nicht kaufen, "man muss es lassen anstehen". Ich weiss von vielen Menschen, die haben diese Unmöglichkeit, noch etwas gutzumachen und mit der Ewigkeit zu verhandeln, am Grab lieber Angehöriger ganz real erfahren. Ich weiss von einem, der hat diese Tatsache, dass sich mit der Ewigkeit nicht verhandeln lässt, "weil's zu viel kostet", erfahren während jener halben Stunde, da er hinterm Sarg seiner Mutter dreinlief, da sein ganzes Leben wie ein Filmstreifen an ihm vorbeizog, da ihm alles in den Sinn kam, was er jetzt so gern noch gutgemacht hätte, und dann stand er vor einem offenen Grab, und da gab's keine Hand mehr hinüber und herüber, dort die Tote, hier die Lebenden, dort die Ewigkeit, hier die Zeit, und unmöglich, restlos unmöglich, jetzt hier noch etwas tun zu können. "Es kostet zu viel", "man muss es lassen anstehen ewiglich". Aber Gott hat es nicht lassen anstehen ewiglich. Er hat die Hand, die herüber und hinüber reicht über den Rand der Gräber.
Herr, du hast deine Hand geöffnet und hast bezahlt. Ich kann es nicht begreifen; aber ich danke dir dafür, dass du mich nicht stehen liessest im Elend. Amen.
Und ob es währt bis in die Nacht / und wieder an den Morgen, / doch soll mein Herz an Gottes Macht / verzweifeln nicht noch sorgen. / So tu Israel rechter Art, / der aus dem Geist erzeuget ward / und seines Gottes harret. Martin Luther