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10. November

Der Lebensabend eines Apostels

Der Herr wird mich erlösen von allem Übel und mir aushelfen zu seinem himmlischen Reiche; ihm sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. 2. Timotheus 4,18

Hier ist wichtig, zu wissen, dass es sich um einen Brief aus dem Gefängnis handelt. Im Unterschied zum ersten ist der zweite Timotheusbrief im römischen Gefängnis geschrieben, was jeder merkt, der beide Briefe nacheinander liest. Der Apostel sieht sich hier, man merkt das aus jedem Abschnitt heraus sehr deutlich, dem Ende nahe. Er hat "den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet" und rechnet täglich mit seinem letzten Tag. Es handelt sich somit um einen Abschiedsbrief. In seiner Gefangenschaft weiss sich der Apostel jetzt sehr vereinsamt. "In meiner ersten Verantwortung stund mir niemand bei; sie verliessen mich alle. Es sei ihnen nicht zugerechnet." So hören wir ihn klaglos und ohne Selbstbedauern feststellen. Dieser Mann hat längst gelernt, sich nicht auf Fleisch zu verlassen und sich nicht über Enttäuschungen an Menschen zu grämen. "In meiner letzten Verantwortung —." Demnach hat eine Gerichtsverhandlung stattgefunden. Niemand der Seinigen war zugegen und stand dem alten Mann bei. Sie haben sich alle von ihm entfernt, "distanziert". Und dennoch verlief diese Verhandlung diesmal noch glimpflich. "Aber der Herr stund mir bei und stärkte mich; und ich ward erlöst von des Löwen Rachen." Aber nun ist hier sehr beachtenswert, dass der Mann, der am Rand des Grabes steht, nicht bei dieser zeitlichen Durchhilfe und freundlichen Bewahrung vor dem irdischen Gericht stehenbleibt. Der Apostel richtet seinen Blick sofort auf die noch ganz anders herrliche Erlösung, die ihm vor dem ewigen Gericht in Aussicht steht: "Der Herr wird mich erlösen von allem Übel und mir aushelfen zu seinem himmlischen Reiche." Der Apostel lässt sich nicht durch zeitliche Durchhilfen so sehr gefangen nehmen, dass er den Blick auf die ewige Durchhilfe verlöre. Er sieht in dieser Freundlichkeit, dass er von Gott auf dem Weg zum Gericht gestärkt worden ist, einen Vorboten der ganzen, letzten, grossen Erlösung. Halte dich nicht auf bei zeitlichen Zückerlein14), die dir Gott in seiner Menschenfreundlichkeit zuwirft, sondern richte das Verlangen deines Gaumens auf den "Honigseim der Ewigkeit".

O Ewigkeit, wie gross und schrecklich bist du doch! Und wie vertraut hat dich uns unser Herr und Retter gemacht! Ihm sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Ich lag in schweren Banden, / du kommst und machst mich los; / ich stund in Spott und Schanden, / du kommst und machst mich gross / und hebst mich hoch zu Ehren / und schenkst mir grosses Gut, / das sich nicht lässt verzehren, / wie irdisch Reichtum tut. Paulus Gerhardt

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