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30. Dezember

Gnadenfrist

Verlass mich nicht, Gott, im Alter, wenn ich grau werde, bis ich deinen Arm verkündige Kindeskindern und deine Kraft allen, die noch kommen sollen. Psalm 71,18

Da redet einer, der darüber erschrocken ist, dass nun wieder ein Jahr hinter ihm liegt. Der Jahresschluss erweckt in ihm eine Kümmernis darüber, dass man alt und grau wird. Im Herankommen eines neuen Jahres muss er das Näherrücken des Todes erkennen. Und wen sollten solch handgreifliche Tatsachen kalt und unbeteiligt lassen! Aber nun ist es wunderbarerweise nicht das ahnungsvolle Dämmerlicht eines Silvesterabends, das in ihm wehmütige Gedanken weckt, sondern hier ist der Heilige Geist am Werk. Dass hier der Heilige Geist sein stilles Werk vollbringt, das sehen wir daraus, dass dieser Mann nicht nur fruchtlos der unwiederbringlichen Vergangenheit nachtrauert, sondern sich an die Aufgaben erinnert, die ihm die Zukunft stellt. Und die Hauptaufgabe, die ihm der Heilige Geist fürs kommende Jahr aufzeigt, besteht darin, dass er an Kindern und Kindeskindern Gottes Kraft und Herrlichkeit wird bezeugen müssen. Es liegt etwas wie eine Reue in seinen Worten, wie eine Reue darüber, dass er die Vergangenheit zu wenig zu Gottes Ehre benutzt hat. Darum bittet er jetzt Gott um Aufschub der Todesstunde, damit er Versäumtes nachholen könne, bittet um eine Gnadenfrist. Mit dem Vorsatz, im kommenden Jahr Gott treuer zu dienen, werden wir bald die Schwelle des Jahres überschreiten. Aber können wir diesen Vorsatz anders fassen als so, dass wir zugleich einstimmen ins Gebet:

Verlass mich nicht, Gott, im Alter, wenn ich grau werde, bis ich deinen Arm verkündige Kindeskindern und deine Kraft allen, die noch kommen sollen. Amen.

Hilf, A und O, Anfang und Ende, / du Herr der Ewigkeit, / hilf, dass mit Ernst sich zu dir wende / in dieser neuen Zeit / ein Volk, das sich von dir vergangen / und abgewichen war. / Lass uns zur Busse Gnad erlangen / in diesem neuen Jahr! Stell des vergang'nen Jahres Sünden, / Herr, nicht vor dein Gericht. / Schon unser, lass uns Gnade finden / vor deinem Angesicht. / Der alten Jahre sündlich Leben deck in Erbarmen zu; / das aber, so du noch wirst geben, / Herr Jesu, leite du. Hieronymus Annoni

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