Am Abend aber kam ein reicher Mann von Arimathia, der hiess Josef, welcher auch ein Jünger Jesu war. Der ging zu Pilatus und bat ihn um den Leib Jesu. Da befahl Pilatus, man sollte ihn ihm geben. Matthäus 27,57‑58
Und nun darf doch noch ein Jude Jesu Zeuge werden. Josef von Arimathia, ein bisher Unbekannter. Sein Name ist hier zum erstenmal genannt. Er ist Ratsherr. Nicht nur der Vorhang im Tempel zerreisst, und nicht nur Steine schreien, und nicht nur Tote handeln, nicht nur Heiden bekennen und Frauen bezeugen, nein, auch ein Jude, und zwar einer aus dem Rat, fängt an, zur Wahrheit zu stehen. Von dorther, wo es zuallerletzt zu erwarten war, nahen unversehens Tritte, bewegt sich eine Hand und fängt ein Mund zu sprechen an, mitten aus dem feindlichen Lager heraus stellt sich da einer auf Jesu Seite. Blinde sehen, und Lahme gehen, und Taube hören, Tote stehen auf, und — Ratsherren werden Jesu Jünger. Josef geht zu Pilatus, um die Leiche Jesu herauszufordern. Dieser Mann wagt damit seinen Ruf und seinen Besitz und seine Familie und sein Leben. Josef wagt alles, und das ist viel. Aber er wagt so, wie einer wagt, der nicht mehr anders kann, weil Gott seine Hand über ihn gelegt hat; Josef wagt mit Zittern und mit Zagen. Sein Handeln trägt deutlich die Zeichen einer scheuen Hast. Und sofort nach der Grablegung, wie ein Dieb nach vollbrachter Tat, "ging er davon". In menschlicher Schwachheit tut er seinen Zeugendienst; können wir ihn je anders tun? Aber er tut ihn. Und wenn er den Dienst nicht täte, dann müsste ihn ein anderer tun. Geschehen müsste, was hier geschieht, unter allen Umständen. Aber dass gerade ein Ratsherr, und dazu noch ein reicher, diesen Dienst tun muss, das ist nicht weniger ein Wunder als das Reissen des Vorhanges und das Beben der Felsen. So regt sich, kaum ist der Gekreuzigte tot, um ihn her allenthalben, sozusagen aus allen Ecken heraus, das Leben. Durch diesen Toten am Kreuz will Gott, dass wir leben. Durch diesen Verstummten will er, dass wir reden und bezeugen bis an die Enden der Erde. Durch diesen Blutbesudelten will er, dass wir rein werden, durch diesen über und über mit Wunden Bedeckten will er, dass die aus tausend Wunden blutende Menschheit heil werde.
Und du bist das Heil der Welt. Wie über alle Massen wunderbar und wie über alles Verstehen heilig ist dein Tun, o Gott! Amen.
Jesus lebt, mit ihm auch ich; / Tod, wo sind nun deine Schrecken? / Er, er lebt und wird auch mich / von den Toten auferwecken. / Er verklärt mich in sein Licht. / Dies ist meine Zuversicht. Christian Fürchtegott Gellert