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31. August

Das getreue Eheweib

Dies Volk habe ich mir zugerichtet, es soll meinen Ruhm erzählen. Jesaja 43,21

Eine geplagte und geschundene Frau hat mir einst von ihrem Manne erzählt, wie er sie mit seinen schlimmen Eigenschaften oft bis aufs Blut quäle. Und dennoch halte sie bei ihm seit Jahr und Tag aus und sei entschlossen, bis zuletzt auszuhalten. (Sie ist unterdessen erlöst worden durch die einzig mögliche Ehescheidung, durch den Tod.) Aber, fügte sie hinzu, sie habe in diesen vielen Jahren des Leidens und der Qual entdeckt, dass "doch hie und da auch ein Körnlein Güte von ihrem Plaggeist ausgehe". Freilich komme sie sich dabei vor wie ein Goldsucher, der lang suchen und die Augen anstrengen und tief graben müsse, bis es jeweilen zum Finden komme. "Und", fuhr sie dann weiter, "ich muss meinen Mann sozusagen täglich ausgraben." Dies Wort vom "Ausgraben" ist mir haften geblieben. Ja, das müssen wir, "einander sozusagen täglich ausgraben". Einander nicht täglich neu verlochen bei allen Freunden und Nachbarn, sondern einander täglich neu ausgraben. Aber was wäre dieses unser Ausgraben, wenn es nicht ein ganz anderes gegeben hätte und gäbe? Wie hat doch dies Menschengeschlecht den Herrn geplagt und gequält und geschunden! Er aber hat nicht von seinen Peinigern gelassen, sondern hat sie ausgegraben. Nichts hat er bei uns gefunden, auch nicht ein Körnlein von dem Gold, das in der Gegenwart Gottes gleissen könnte. Und dennoch hat er uns ausgegraben, hat uns nicht elendiglich in der Grube verenden lassen. Aus der Bosheit hat er Güte geschafft, aus der Schande hat er Ruhm zutage gefördert. Sein Werk allein ist, was wir sind und haben. "Dies Volk habe ich mir zugerichtet, es soll meinen Ruhm erzählen." Erzählen wollen wir's, erzählen allen, die uns darnach fragen, und auch denen, die uns nicht darnach fragen, dass uns der Heiland ausgegraben hat, und dass er uns sozusagen täglich von neuem ausgräbt. Predigen kann nicht jeder. Erzählen aber kann jeder. Erzähle, erzähle es weiter zu seinem Ruhm, wie herrlich der Herr dich ausgegraben hat am Ostermorgen.

Das ist und bleibt, o Herr, dein Ruhm in Ewigkeit. Schaffe du selber unter uns ein Erzählen dessen, was du an uns getan hast, Herr, dass dein Ruhm nicht verstumme auf Erden. Amen.

Hilf, dass alle Bitterkeit / scheid, o Herr, und alte Treu / wiederkehr und werde neu, / dass wir ewig lobsingen dir. Huldrich Zwingli

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