Seite zurück
Nächste Seite

9. September

Not lehrt beten

Wenn du geängstigt sein wirst und dich treffen werden alle diese Dinge in den letzten Tagen, so wirst du dich bekehren zu dem Herrn, deinem Gott, und seiner Stimme gehorchen. 5. Mose 4,30

Das Sprichwort, dass "Not beten lehrt", ist eine halbe Wahrheit, wie sehr oft Sprichwörter. Gewiss, Not kann beten lehren. Wir kennen alle zur Genüge Fälle, wo wir so etwas feststellen durften. Ja, wir wissen aus unserem eigenen Leben, wie uns Not, Krankheitsnot, Existenznot ins Gebet hinein trieb. Sehr oft war's allerdings nur ein Beten wie dort bei Pharao in Ägypten, der nur zu Gott schrie, solang er in der Klemme war, dann aber heisst es von ihm bezeichnenderweise: "Da aber Pharao sah, dass er Luft gekriegt hatte, verhärtete er sein Herz." Freilich kennen wir ebenso viele "Fälle", da die Not nicht einmal ein solches Pharao-Beten bewirkt hat, sondern gerade das Gegenteil, dass sofort die Verhärtung eintrat und immer härter wurde, bis zur völligen Verstockung. Ich glaube, es sei so: Wenn einer in seinen früheren Zeiten, sagen wir einmal in seiner Jugend, beten, wirklich beten gelernt hatte und hatte es dann durch eine Zeit der Gleichgültigkeit und der Gottesferne vergessen und verlernt, dann kann manchmal ein "Erdbeben" die Verschüttung wieder zutage fördern, und man erinnert sich wieder an die früheren Segenszeiten und kehrt um. Wenn aber nie ein Beten vorhanden gewesen ist, dann lehrt Not ganz selten beten. Gott fängt eben nie damit an, dass er Schläge erteilt. Bei Menschen, die seine Güte überhaupt noch nie gekannt haben, fängt er nicht mit Heimsuchungen an, sondern mit Güte. Da "lehrt Güte beten". Freilich kann auch die Güte gering geachtet und übersehen werden. Missachtete Güte führt dann ebenfalls zur Verstockung. Aufs Ganze gesehen, ist zu sagen, dass es Gnade ist, unbegreifliche und unerklärliche Gnade, wenn ein Mensch, sei es nun durch Not oder durch Glück, zur Besinnung und zum Beten kommt. Heimgesucht und gezüchtigt, erschüttert und geängstigt, aber auch mit Gottes Güte überschüttet ist unser Geschlecht schon zur Genüge. Gottes Güte und Gottes Ernst hat uns längst beten gelehrt, wenn wir es lernen wollten. Was muss noch kommen, was für Saiten wird Gott noch aufziehen müssen, Saiten der Güte und des Ernstes, bis wir wollen?

Herr, neige du das Geheimnis deiner Erwählung auf uns herab und nimm uns hinein in deine tägliche Gegenwart. Amen.

Gott, Vater, Sohn und Heilger Geist, / o Segensbrunn, der ewig fleusst, / durchfleuss Herz, Sinn und Wandel wohl, / mach uns deins Lobs und Segens voll. Gerhard Tersteegen

Creative Commons-Lizenz

Inhaltsverzeichnis