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15. November

Rockefellers Tod

Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich. Lukas 18,27

Es war mir nicht mehr ganz gegenwärtig, in welchem Zusammenhang Jesus dieses Wort mag gesprochen haben. Ich vermutete Krankenheilung, etwa eines Aussätzigen, Blinden oder Gelähmten. Der Zusammenhang aber, in dem solch ein Wort steht, ist entscheidend wichtig zu seinem Verständnis. Und nun schlage ich nach und — kannst du erraten, auf wen dieses Wort geht? — Es geht auf die Begüterten! Christus sagt, und er sagt es nicht nur an dieser Stelle, es sei unmöglich, dass ein Reicher ins Reich Gottes komme. Es sei das so unmöglich wie der Durchgang eines Kameles durch ein Nadelöhr. Das ist ein sehr anstössiges Wort. Christus sagt eben nie "Geld ist Geld". Christus sagt stets, dass das Geld an sich eine dämonische Macht hat, welcher kein Mensch gewachsen ist. Für ihn, in seinen Heilandsaugen, hat einer, der reich wird, nicht "sein Glück gemacht", sondern gehört, weil er reich wurde, sozusagen "weil ihm so was passierte", zu den Verunglückten. Reichwerden ist in seinen Augen ein Unglück, das verhütet werden sollte, ehe es geschehen ist. Und nun ist unterdessen die Post auf meinen Schreibtisch gelegt worden, und ich werfe einen Blick darauf, so zwischenhindurch, zum ein wenig Ausruhen. Da bringt die Abendzeitung, während ich über diesem Wort da bin, den Bericht von Rockefellers Tod. Und ich kann nicht anders, als für diesen schwer "Verunglückten" hoffen. Nicht wegen seiner nachträglichen Stiftungen, sondern weil Christus gesagt hat, dass es wirklich bei Gott geschehen kann, dass "ein Kamel durch ein Nadelöhr geht". Bei den Menschen ist's unmöglich, aber möglich ist es bei Gott. Zwar bin ich nicht begütert; aber mich dünkt es kein kleineres Wunder, wenn ich vor Gott angenommen werde, und wenn ich für Rockefeller nicht hoffen dürfte, wäre auch meine Hoffnung dahin. Das Kamel ist eben nicht das einzige Tier. Es gibt neben ihm auch noch Bären und Löwen und Tiger und Elefanten. Es gibt überhaupt kein Tier, das, wenn es drauf ankommt, durch ein Nadelör geht, nicht einmal eine erbärmliche Laus. Wo wären wir, wenn bei Gott nicht das möglich geworden wäre, was dort am Kreuz geschah!

Herr, bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte. Du kennst die Gebundenheiten eines jeden von uns. Deine Gnade zerreisst unsere Stricke und ist grösser als unser Gefängnis. Amen.

All, die ihr habet zeitlich Gut / und nehmt's mit grosser Sorg in Hut, / teilt aus davon und rüstet euch, / dass ihr vor Gott auch werdet reich. / Dient gern auch dem gemeinen Nutz, / dem armen Mann zu Hilf und Schutz, / auch ziehet Kinder auf mit Fleiss, / das ist der Reichen grosser Preis. Johannes Zwick

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