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2. Juni

Die Armut

Da waren sie alle einmütig beieinander. Apostelgeschichte 2,1

Sie sind alle einmütig beieinander, bevor der Heilige Geist über sie kommt. Aber wenn du dieses Häuflein von 120 Menschen, die dort an jenem Morgen inmitten der übrigen Festpilger in einer besonderen Halle beisammen waren, wenn du sie gefragt hättest, warum sie so schön einträchtig beieinander seien, wie sie diese Eintracht zustande gebracht hätten, sie, die doch einen Petrus unter sich haben und einen Thomas, dann hätten sie energisch abgewehrt: Nicht wir haben diese Einmütigkeit zustande gebracht, das hat Christus, unser Haupt, vermocht, uns alle unter ein Dach und unter einen Hut und unter einen Willen und unter einen Geist zu versammeln. Wären wir auf uns angewiesen gewesen, ach, wir wären immer noch die neidischen Menschen, die wir schon damals waren, als wir uns stritten, wer unter uns der Grösste sei von allen. Aber nun ist an uns etwas geschehen in diesen letzten Monaten: Wir haben erkannt, wer wir sind. Wir sind bis in die tiefsten Tiefen hinabgeführt worden, so tief, wie vor uns wohl nie Menschen gedemütigt worden sind. Dort, ganz unten, haben wir erkannt, wie wenig der eine vor dem anderen etwas voraus hat bei Gott, und wie sehr hier kein Unterschied ist. Sogar unser Petrus hat es erkannt in jenen Tagen, was das heisst, schläfriges, schwaches, gebrechliches Fleisch. Das ist's! Die Einmütigkeit jener Menschen am pfingstmorgen ist eine Einmütigkeit der Armut, eine Einmütigkeit auf dem Nullpunkt. Sie haben alle gemeinsam erkannt, dass sie nichts sind und dass sie nichts haben. Sie sind durchs Fegefeuer des Karfreitags hindurchgegangen. Es ist etwas an ihnen geschehen, das sie von da an selber immer nur mit den sehr starken Worten beschreiben können: Wir sind mit Christus gestorben. Gestorben! Das ist die Einmütigkeit der Menschen am Pfingstmorgen, gestorben und — auferstanden. Wie hiess es nur heute Morgen in dem Brief, den die Post brachte? Da hiess es am Schluss: "Herr, zerschlage mich noch mehr, damit ich dich erkenne."

Ja, Herr, mach du mich arm, damit du mich segnen kannst durch den Heiligen Geist. Schaffe du selber in deiner Kirche die Einheit der Armut. Amen.

Jauchz, Erd, und Himmel, juble hell, / die Wunder Gottes mit Freud erzähl, / die er heut hat begangen / an dem trostlosen Häuflein klein, / das sass in friedsamer Gemein / und betet mit Verlangen, / dass es mit Geist getaufet werd. / Der kam mit Feuersglut zur Erd, / mit starkem Sturmestoben; / das Haus erfüllt er überall, / zerteilt man Zungen sah im Saal / und all den Herren loben. Ambrosius Blarer

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