Der Herr sprach zu Salomo: Bitte, was ich dir geben soll. Salomo sprach: Du wollest deinem Knecht ein gehorsames Herz geben. 1. Könige 3,5.9
Einst fragte ich einen heimlich im Ehebruch lebenden, tiefunglücklich gewordenen Menschen: "Kennen Sie Jesus?" Er antwortete ausweichend: "Ich bete auch am Abend, wenn ich einschlafe." "Aber", musste ich weiter fragen, "was beten Sie denn?" Darauf kam einige Zeit keine Antwort; dann aber kam es zögernd heraus: "Ich bete, dass er mich von dieser Ehe befreie; ich bete, dass er mir die andere, die Geliebte, zur Frau gebe." So pflegen viele unserer Gebete zu verlaufen. Wir bringen Gott törichte, ja sogar sündhafte Wünsche dar. Wir treten mit unserem Eigenwillen vor ihn hin und erwarten von ihm, dass er unserem Drängen nachgebe und uns gewähren lasse. Wir möchten uns vor Gott den Menschen gegenüber durchsetzen. Der junge Salomo aber betet anders. Ach, hätte er auch später immer so gebetet! Der junge Salomo betet um ein "gehorsames Herz". Er tritt nicht als fordernder Herr vor Gott, sondern als Knecht. Darum, weil er als Knecht bittet, setzt ihn Gott über viele geistige und materielle Güter und macht ihn zunächst zum reichgesegneten Herrscher. So wie dieser Salomo betet, so möchte ich auch beten dürfen. Er gibt seinen ganzen Eigenwillen Gott hin. Er nennt sich Knecht. Damit erklärt er sich bereit zur Entgegennahme von Befehlen. Kein Gebet ohne diese Bereitschaft. Ob ihm diese Befehle passen werden oder nicht, darnach fragt er gar nicht. Daran kranken unsere Gebete: Wir wollen Gottes Hilfe, aber wir wollen keine Gebote. Wir wollen Gottes Segnung und zugleich Befriedigung unserer Triebe. Wir wollen "den Fünfer und 's Weggli7)", wollen fromme Leute sein und daneben tun, was wir wollen und was Gott verboten hat. Gott aber will auch dann, wenn wir als Kinder vor ihn, den Vater, treten, nicht aufhören, unser Herr zu sein.
Herr, Gott und Vater, zeig mir, wo ich nicht dein Knecht sein will; decke du selber den verborgenen Ungehorsam auf, der deiner väterlichen Hilfe den Weg versperrt. Stell mich hinein in jenes Licht, das alle Beschönigung und alle Selbsttäuschung zerschlägt, und schaffe in mir die Bereitschaft, die Konsequenzen zu ziehen aus der Erkenntnis deines Willens. Amen.
Mich segne, mich behüte, / mein Herz sei deine Hütte, / dein Wort sei meine Speise, / bis ich gen Himmel reise. Paulus Gerhardt